Meta entsperrt Trump: Bühne frei für noch mehr Lügen

Nach Twitter geben auch Facebook und Instagram dem früheren US-Präsidenten das digitale Megafon zurück. 2020 wäre das eine riesige Nachricht gewesen. Aber die Welt hat sich weitergedreht – und sowohl Trump als auch Facebook haben ihren Zenit überschritten.
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Was ist

Er ist wieder da. Zwei Jahre nach seinem Rauswurf darf Donald Trump bald wieder auf Facebook und Instagram posten. Mutterkonzern Meta will die beiden Konten in den kommenden Wochen wiederherstellen.

Elon Musk hatte Trump bereits im November entsperrt. Damit könnte der Politiker seine Botschaften bald wieder ungehindert über seine wichtigsten Kanäle in die Welt hinausposaunen.

Was war

  • Am 6. Januar 2021 stürmten wütende Trump-Anhängerïnnen das US-Kapitol. Der zu diesem Zeitpunkt bereits abgewählte US-Präsident hatte zuvor monatelang die Lüge verbreitet, seine Niederlage sei auf Wahlmanipulation der Demokraten zurückzuführen.
  • Statt den Putschversuch zu verurteilen, verharmloste Trump den gewalttätigen Mob und sagte den Eindringlingen: „Wir lieben euch. Ihr seid etwas Besonderes.“
  • Daraufhin verbannten fast alle relevanten Plattformen den Republikaner, darunter Facebook, Instagram, Twitter und Youtube. Meta verhängte zunächst eine temporäre Sperre, weitete sie später auf unbestimmte Zeit aus und setzte die Dauer schließlich auf zwei Jahre fest, nachdem das Oversight Board interveniert hatte.
  • Meta hat dieses Aufsichtsgremium als eine Art Obersten Gerichtshof ins Leben gerufen, um seine eigenen Entscheidungen überprüfen zu lassen. Das Board kam im Mai 2021 zum Schluss, dass der Rauswurf gerechtfertigt war – die unbefristete Sperrung jedoch nicht (mehr dazu in Ausgabe #721).

Wie Meta die Entscheidung begründet

  • Der zentrale Satz in einem langen Blogeintrag in Metas Newsroom lautet: „Our determination is that the risk has sufficiently receded, and that we should therefore adhere to the two-year timeline we set out.“
  • Die politische Situation sei heute eine andere als vor zwei Jahren. Deshalb sei das Risiko vertretbar, Trump wieder auf die Plattform zu lassen.
  • Trump sei schließlich nicht nur ein Ex-Präsident, sondern kandidiere auch erneut. Die Entscheidung sei deshalb im öffentlichen Interesse: „The public should be able to hear what their politicians are saying — the good, the bad and the ugly — so that they can make informed choices at the ballot box.“
  • Was auffällig ist: Der Blogeintrag stammt von Nick Clegg, Metas President for Global Affairs. 2021 äußerte sich Zuckerberg noch selbst und kritisierte Trump scharf: „His decision to use his platform to condone rather than condemn the actions of his supporters at the Capitol building has rightly disturbed people in the US and around the world.“
  • Heute scheint sich Zuckerberg eher für das Metaverse als für Politik zu interessieren. Dabei kann man als Plattform nichts gewinnen und handelt sich bloß Ärger ein. Das überlässt der Meta-Chef offenbar lieber Clegg.
  • Der wiederholt, was Zuckerberg seit Jahren predigt, und sagt, dass Meta Inhalte im Zweifel eher online lasse als einzugreifen: „We default to letting people speak, even when what they have to say is distasteful or factually wrong.“
  • Das ist kontrovers – und das gibt Clegg auch zu. Die letzten drei Absätze drehen sich nur darum, dass man es eben niemandem recht machen könne, wenn es um Content-Moderation gehe. Irgendjemand sei immer empört.
  • Das klingt alles arg defensiv und fast schon weinerlich – Mitleid mit Meta muss man nun wirklich nicht haben. Im Grundsatz hat Clegg aber recht:

Reasonable people will disagree over whether it is the right decision. But a decision had to be made, so we have tried to make it as best we can in a way that is consistent with our values and the process we established in response to the Oversight Board’s guidance.

Welche Vorsichtsmaßnahmen Meta trifft

  • Wenn Trump in einigen Wochen seine Accounts zurückerhält, steht er unter besonderer Beobachtung. Falls er wieder gegen die Regeln verstößt, gilt er als Wiederholungstäter und wird erneut gesperrt – zwischen einem Monat und zwei Jahren.
  • Sollte Trump Inhalte posten, die zwar nicht eindeutig illegal sind, aber etwa in Bezug zur gewaltbereiten Verschwörungsbewegung QAnon stehen oder die Legitimität kommender Wahlen infrage stellen, behält sich Meta vor, die Reichweite dieser Beiträge einzuschränken.
  • Interessant ist die Formulierung: „content that delegitimizes an upcoming election“. Damit scheint sich Meta für den Fall abzusichern, dass Trump weiter behauptet, die Wahl 2020 sei manipuliert worden. Solche Inhalte könnten dann unangetastet bleiben, schließlich liegt die Wahl bereits in der Vergangenheit.
  • In der Zwischenzeit hat Meta mehrere Richtlinien überarbeitet oder ganz neu formuliert, die den Umgang mit Personen des öffentlichen Lebens und Kriterien für berichtenswerte Inhalte (beide Meta Transparency Center) betreffen.
  • Das Oversight Board erkennt das als Fortschritt an und stimmt der aktuellen Entscheidung grundsätzlich zu. Im vierteljährlichen Transparenzbericht will das Gremium eine ausführlichere Analyse veröffentlichen.

Wie Trump reagiert

  • Bislang ist nicht garantiert, dass Trump seinen reaktivierten Facebook-Account nutzen wird. Er hat sich verpflichtet (TechCrunch), seine eigene Plattform Truth Social bevorzugt zu behandeln.
  • Bevor er Inhalte auf Twitter und Facebook teilt, sollen sie mindestens sechs Stunden lang exklusiv auf dem rechtsradikalen Nischennetzwerk online sein.
  • Allerdings gibt es eine Ausnahme für nicht näher definierte „politische Botschaften“. Zudem möchte Trump den Vertrag angeblich auslaufen lassen (Rolling Stone), um uneingeschränkt auf Twitter und Facebook aktiv sein zu können.
  • Das ist nachvollziehbar. Truth Social ist nahezu bedeutungslos und erreicht ausschließlich ohnehin überzeugte Trump-Fans. Zudem ist die Plattform ein technologisches und finanzielles Wrack. Trumps Versuch, sich ein Sprachrohr zu bauen, das er selbst kontrolliert, ist gescheitert.
  • Nimmt man Trumps Äußerungen auf Truth Social zum Maßstab, dann deutet nichts darauf hin, dass er sich während seiner Sperre verändert hat und künftig gemäßigter auftreten könnte. Er verbreitet weiter Inhalte der rechtsradikalen QAnon-Sekte und hält an der Lüge des Wahlbetrugs fest.
  • Zwischen April und Oktober des vergangenen Jahres zählte die Organisation Accountable Tech Hunderte solcher Postings, Media Matters kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. „Trumps Rhetorik ist nur noch schlimmer geworden“, sagt Nicole Gill, Vorsitzende von Accountable Tech.

Be smart

Trump ist immer noch ein extrem einflussreicher Politiker, den ein signifikanter Teil der US-Bevölkerung als Helden verehrt, der gegen das angebliche korrupte Establishment in Washington kämpfe. Was Trump sagt, beeinflusst das Weltbild von Dutzenden Millionen Menschen – und löst bei mindestens genauso vielen heftigen Widerspruch aus. Das Risiko, dass er Facebook und Twitter nutzen wird, um erneut Hass zu säen, muss man ernst nehmen.

Trotzdem fühlt sich die Situation ganz anders an als zum Zeitpunkt der Sperre. Unserer Meinung nach hat das drei Gründe:

  1. Von Deutschland aus betrachtet bilden die USA nicht mehr den Mittelpunkt der Welt. Der Sturm aufs Kapitol war ein Angriff aufs Herz der US-Demokratie – aber er scheiterte. Jetzt herrscht Krieg in Europa, ein paar tausend Kilometer entfernt regiert ein unberechenbarer Autokrat, der mit Atomwaffen droht. Im Rückblick erscheint Trump wie ein überschaubares Übel.
  2. Trumps politische Überzeugungen sind die gleichen wie vor zw…

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