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283 Minuten Politiktheater | Zoom will Plattform werden | Twitter Fleets, Twitter Spaces, Instagram Guides

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Sieben Erkenntnisse aus 283 Minuten Politiktheater

Was ist

Mark Zuckerberg und Jack Dorsey mussten am Mittwoch vor dem US-Senat aussagen – mal wieder. Es war Zuckerbergs sechster Auftritt und der zweite innerhalb weniger Wochen. Erst im Oktober hatte der Handelsausschuss die beiden (und Google-Chef Sundar Pichai vorgeladen). Diesmal wollten die Mitglieder des Justizausschusses Fragen stellen.

Für die SZ habe ich eine recht flapsige Theaterkritik geschrieben, denn genau das war diese Anhörung: politisches Theater. Vier Stunden und 43 Minuten lang grillten die Senatorïnnen die Konzernchefs, doch der inhaltliche Erkenntnisgewinn blieb überschaubar.

Das gilt aber nur für die Antworten von Zuckerberg und Dorsey, die mit vielen Wörtern sehr wenig Neues sagten. Die Fragen der Senatorïnnen, ihre Selbstinszenierung und der Kontrast zwischen Demokraten und Republikanern lässt sehr wohl Rückschlüsse zu – auf Facebook und Twitter, aber ebenso auf die US-amerikanische Gesellschaft und die politische Zukunft der Vereinigten Staaten.

Wir arbeiten das Hearing zweigeteilt auf: erst einige Beobachtungen, um das Setting und die Absurdität der Veranstaltung deutlich zu machen, dann unsere Takeaways.

Die Rückblende

Der Vorspann

Zunächst zwei Fakten, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben:

  1. Dem Justizausschuss sitzt der Republikaner und Trump-Vertraute Lindsey Graham vor. Am Tag des Hearings wurde bekannt, dass er in Georgia rechtmäßig abgegebene Stimmen von Wählerïnnen vernichten lassen wollte (Washington Post).
  2. Der Titel der Veranstaltung lautete "Breaking the News: Censorship, Suppression, and the 2020 Election".

In unseren Worten: Ein Mann, der den Willen der Wählerïnnen unterdrücken will, leitet eine Anhörung, bei der Konzerne Rechenschaft ableisten sollten, ob sie den Willen der Wählerïnnen unterdrückt haben.

Die Tragikomödie

Der Abspann

Gleich drei Senatoren betonen am Ende, dass man sich sicher nochmal wiedersehen werde – "viele Male". Wir halten es grundsätzlich für eine gute Idee, die öffentlichkeitsscheuen Silicon-Valley-Managerïnnen öffentlich zu befragen. Und an Themen mangelt es wahrlich nicht. Für das nächste Mal wünschen wir uns aber ein stringenteres Drehbuch und Nebendarstellerïnnen, denen es um echte Inhalte, nicht um politische Inszenierung geht.

Vielleicht könnte es helfen, das Format zu ändern:

Was wir gelernt haben

1. Dorsey und Zuckerberg unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich.

2. Ein Mordaufruf ist für Facebook offenbar nur ein kleineres Vergehen.

3. Republikaner wittern überall Zensur.

4. Republikaner wittern überall anti-konservativen Bias.

5. Die Reform von Section 230 wird ein Kraftakt.

6. Alle können sich darauf einigen, dass Facebook und Twitter vor einer fast unmöglichen Aufgabe stehen.

7. Facebook trackt seine Nutzerïnnen über Apps, Geräte und Accounts hinweg.

Be smart

Für uns bleiben nach der Anhörung (mindestens) zwei Fragen offen:

Wo war YouTube-Chefin Susan Wojcicki?

"Warum wird Susan Wojcicki nicht vom Kongress gegrillt", fragt Evelyn Douek. Das ist eine sehr gute Frage. YouTube war vor und während der Wahl eine der zentralen Plattformen für Desinformation und ist es bis heute (NYT). Es ist unverständlich, warum sich die öffentliche Aufmerksamkeit so oft auf Facebook konzentriert, Twitter noch einen kleinen Teil davon abbekommt und YouTube völlig unter dem Radar fliegt.

Haben Facebooks und Twitters Maßnahmen geholfen, Desinformation vor, während und nach der US-Wahl einzuschränken?


Zahl der Woche

33 Millionen

So viele Teilnehmerïnnen verbuchte ein virtuelles Konzert von Lil Nas X bei Roblox (The Verge). Einfach nur verrückt.


Follow the money

YouTube: Fortan könnte es quasi bei allen Videos Werbung geben, profitieren werden aber weiterhin nur einige wenige (The Verge): Mitglieder des Creator Programs und – äh – YouTube.


Schon einmal im Briefing davon gehört

Zoom mausert sich zur Plattform: Bislang ist Zoom den meisten nur als Video-Konferenz-Tool bekannt. Das könnte sich aber in den kommenden Monaten und Jahren ändern. Mit der Einführung sogenannter Zapps – also Apps bei Zoom – möchte das Unternehmen eine eigenständige Plattform werden. Anstatt Zoom nur als ein Tool unter vielen zu begreifen, möchte die Firma zum zentralen Dreh- und Angelpunkt für digitales Arbeiten heranreifen.


Neue Features bei den Plattformen

Twitter

Instagram

Facebook

Fortnite

Soundcloud

Bandcamp


Tipps, Tricks und Apps


Lecture #2

Am 3.12. um 17:00 Uhr findet die zweite Social Media Watchblog Lecture statt. Diesmal freuen wir uns auf einen Vortrag von Philipp Lorenz-Spreen. In rund 45 Minuten erzählt euch Philipp, wie die Flut an Informationen in sozialen Medien das gesellschaftliche Miteinander verändert und was mensch leisten kann, um nicht zu ersaufen. In diesem Video stellt Philipp seine Arbeit vor.

Wer an der Lecture teilnehmen möchte, antwortet uns bitte auf diese Mail mit "Philipp". Wir schicken dann zwei Tage vorher per Mail einen Link zum Call. Wenn alles geklappt hat, müsstest du dir hier die iCal-Datei herunterladen können, um den Termin direkt im Kalender einzutragen. Wir freuen uns sehr, wenn du Lust hast, dabei zu sein! #EachOneTeachOne


Header-Foto von Clay Banks bei Unsplash