Salut und herzlich Willkommen zur 581. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute beschäftigen wir uns mit Project Voldemort – einem Dossier von Snap Inc, das aufzeigt, mit welchen Mitteln Facebook versucht (hat), Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Zudem blicken wir auf neue Ad-Formate bei Facebook, die beste Zeit zum Posten und den Trend zu Walled Gardens. Wir wünschen wie üblich eine gewinnbringende Lektüre, freuen uns über Feedback und bedanken uns für das Interesse! Simon und Martin

Was in Snaps „Voldemort“-Dossier über Facebook steht

Was ist: Zwei Reporterinnen des Wall Street Journal berichten über ein spannendes Dossier, das Snap über Facebook erstellt haben soll. Angeblich sammelt der Mutterkonzern von Snapchat darin seit Jahren Material, das nachweisen soll, dass Facebook dem Konkurrenten bewusst Steine in den Weg lege, um seine eigene Macht zu sichern. Es trägt den passenden Namen „Project Voldemort“.

Warum das wichtig ist: Das Timing ist für Facebook ungünstig. Mehr als ein Jahrzehnt haben Politik und Aufsichtsbehörden weitgehend tatenlos zugesehen, wie das Silicon Valley immer mächtiger geworden ist und sich eigene Regeln geschrieben hat. Doch mittlerweile sind Regulatorïnnen aufgewacht. Google musste bereits mehrere Kartellstrafen zahlen, und auch gegen Facebook laufen Ermittlungen.

Allein in den USA untersuchen etliche Staatsanwältïnnen, Kongressausschüsse, Bundesstaaten und Behörden, ob Facebook sich über geltendes Recht hinweggesetzt hat. Die New York Times hat dazu einen hervorragenden Überblick erstellt, der laufend aktualisiert wird.

Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob Mark Zuckerberg Konkurrenten wie Snapchat sabotiert hat. Vergangene Woche forderte der Kongress Unterlagen von mehr als 80 Unternehmen an, um zu prüfen, ob Amazon, Apple, Google und Facebook wettbewerbswidrig gehandelt haben. Für Mittwoch hat der Senat Vertreterïnnen der vier Konzerne vorgeladen. „Project Voldemort“ könnte Facebook weiter unter Druck setzen.

Was Snap Facebook vorwirft: Es geht vor allem um zwei Punkte: Zum einen soll Facebook in Instagrams Algorithmen eingegriffen haben, um die Verbreitung von Inhalten zu blockieren, die mit Snapchat in Verbindung gebracht werden. Wenn Nutzerïnnen etwa Videos und Fotos von Snapchats Filtern hochluden oder den Hashtag #snapchat verwendeten, habe Facebook verhindert, dass solche Inhalte in Instagrams Explore-Tab auftauchen. Außerdem sollen bestimmte Suchbegriff geblockt worden sein.

Zum anderen behauptet Snap, dass Instagram Influencerïnnen unter Druck gesetzt habe. Angeblich wurden sie aufgefordert, Links zu Snapchat aus ihren Profilen zu entfernen. Andernfalls könnten sie ihren Verifizierungs-Haken verlieren. Dieser Status ist für viele Influencerïnnen wichtig, da manche Werbeverträge davon abhängen. 2016 griff Instagram schließlich auch offiziell ein und verhinderte, dass Nutzerïnnen auf ihre Snapchat-Profile verlinken.

Was Facebook sagt: Der Text enthält keine Stellungnahme zum Snap-Dossier – nicht einmal die Information, dass Facebook nicht kommentiert. Das ist ungewöhnlich. Ich weiß nicht, ob das WSJ gar nicht erst angefragt hat oder Facebook nichts dazu sagen wollte.

An einer anderen Stelle wird eine Sprecherin zitiert, die das sagt, was Facebook immer sagt, wenn es um angebliche Behinderung von Konkurrenten und wettbewerbswidriges Verhalten geht. Facebooks zahlreiche Übernahmen zeigten, dass sich ständig neue Ideen und Geschäftsmodelle entwickelten.

Das sei gelebter Wettbewerb und typisch für die Tech-Branche. Nutzerïnnen profitierten davon, wenn Unternehmen ihre Dienste und Produkte dynamisch weiterentwickelten – auch durch Zukäufe von Start-ups. Die Aussage passt aber nicht zu Snaps Vorwürfen. Deshalb bin ich unsicher, ob das wirklich Facebooks Kommentar zu „Project Voldemort“ darstellt.

Dem WSJ zufolge sollen führende Facebook-Managerïnnen besorgt darüber sein, dass andere Unternehmen potenziell heikle Informationen an Kartellbehörden und andere Ermittlerïnnen weitergeben. Das sei gefährlich für Facebook. Deshalb wolle Facebook seine Beziehungen innerhalb des Silicon Valley verbessern.

Was Facebook außerdem droht: Die US-Handelskommission und andere Behörden ermitteln an zahlreichen Fronten. Unter anderem haben sie Onavo ins Auge gefasst, ein israelisches Start-up, das Facebook 2013 übernahm. Facebook bewarb die Onavo-App als VPN, die helfen solle, „dich und deine Daten zu schützen“. Tatsächlich sammelte sie massenhaft Daten von Nutzerïnnen (mehr dazu hier).

Für Facebook waren die Information vermutlich Milliarden wert. Es nutzte die Daten um herauszufinden, wofür sich Menschen interessieren und wie sie kommunizieren. Onavo zeichnete nicht nur die besuchten Webseiten auf, sondern die installierten Apps. Diese Erkenntnisse halfen Zuckerberg, langfristige strategische Entscheidungen zu treffen.

Unter anderem sollen die Daten von Onavo maßgeblich zum Kauf von Whatsapp beigetragen haben. Facebook konnte sehen, wie beliebt der Messenger damals bereits war – und wie gefährlich er Facebook werden könnte. Damals kritisierten viele Analystïnnen den hohen Preis von etwa 20 Milliarden Dollar. Rückblickend war die Übernahme ein Schnäppchen.

Außerdem interessieren sich die Ermittler für das Verhalten von Zuckerberg. Er soll konkurrierenden Unternehmen mehr oder weniger offen gedroht haben. Bei einem Treffen mit Evan Spiegel und Dennis Crowley, den Gründern von Snap und Foursquare, habe er die beiden vor die Wahl gestellt: Entweder ihr lasst euch kaufen – oder wir machen euch das Leben schwer, indem wir eure Produkte kopieren.

Beide lehnten ab. Kurz darauf änderte Foursquare sein Geschäftsmodell, und Instagram baute Snapchats Stories, Filter und Sticker nach. Es folgte eine harte Zeit für Snapchat, was aber auch an eigenen Fehlern lag. Das Redesign war misslungen, schreckte Nutzerïnnen ab und musste mehrfach überarbeitet werden. Mittlerweile hat sich Snapchat halbwegs erholt, kann aber nicht annähernd mit Instagram mithalten.

Be smart: Ein Name, der oft fallen dürfte, wenn Facebook sich im Senat und bei anderen Anhörungen verteidigt: Tiktok. Immer wieder zitiert Facebook die App des chinesischen Unternehmens Bytedance als Beweis, dass es sehr wohl Konkurrenz gebe. Das stimmt tatsächlich – aber die Tatsache, dass Tiktok der einzige Name ist, der einem einfällt, wenn mensch an andere Netzwerke als Facebook denk, spricht Bände.

Snapchat? Sah 2016 mal aus wie eine Bedrohung, wurde durch Instagrams Copycat-Strategie kleingehalten. Twitter? Ach, Twitter. Die einzigen großen Plattformen, die nicht blau sind, heißen Whatsapp und Instagram – und gehören längst zu Facebook.

Ich habe in den vergangenen Monaten mit mehreren Ökonomïnnen und Kartellrechtlerïnnen gesprochen. Alle sind sich einig: Es war ein schwerer Fehler, Facebook zu erlauben, die beiden Unternehmen zu schlucken. Und zwar nicht nur im Rückspiegel: Auch damals hätten es die zuständigen Behörden besser wissen und den wettbewerbsfeindlichen Charakter der Zukäufe erkennen müssen – oder Facebook zumindest verbindliche Auflagen machen, alle drei Plattformen strikt getrennt zu halten.

2020 wird spannend: Facebook arbeitet unter Hochdruck daran, Whatsapp, Instagram und den Messenger so eng zu verknüpfen, dass die Daten nicht mehr richtig getrennt werden können. Kartellämter arbeiten daran, Facebook zu entflechten. Ich glaube, dass Facebook seinen gordischen Knoten schneller knüpfen wird, als Politikerïnnen Regulierung buchstabieren können.

Autor: Simon Hurtz

Social Media & Journalismus

Snapchat will jetzt auch ein News Tab: Auch Snapchat bastelt einem Bericht von The Information zufolge an einem separaten News Tab. Im Gegensatz zum großen Redesign von vor knapp zwei Jahren (siehe Briefing #407) sollen News nicht erneut aus dem Feed der Nutzer genommen werden. Vielmehr geht es darum, innerhalb von Snapchat zusätzlich zum Feed und Discover ein echtes News-Angebot zu schaffen. Mir persönlich würde das gefallen – Discover hat schließlich mit News bei so gut wie keinem Anbieter mehr etwas zu tun.

Follow the money

Neue Ad-Formate: In Ergänzung zu den Poll Stickern bei Instagram Stories gibt es nun auch bei Facebook die Option, Umfragen bei Video-Anzeigen zu nutzen. Zudem können sogenannte AR Ads jetzt von mehreren Firmen getestet werden – die offizielle Beta startet im Herbst. Mittels AR Ads können NutzerInnen z.B. Dinge testen, anprobieren, etc… Quasi analog zu den lustigen Lenses und Filtern, die eh alle die ganze Zeit nutzen, kann der Nutzer nun Sonnenbrillen oder Makeup direkt „testen“. Zudem können Werber fortan Ads schalten, die wie kleine Mini-Computerspiele funktionieren – wer möglichst lange daddelt, kriegt einen Rabatt-Code oder so ähnlich. Hihi. Spannend. Facebook Invites People and Businesses to Play (Facebook Business)

Studien, Statistiken & Co

When is the best time to post? Chartbeat dürfte ja den allermeisten LeserInnen ein Begriff sein. Dass die Firma immer mal wieder ihr Klientel vermisst, um zu zeigen, wie sich Social-Media-Plattformen gewinnbringender nutzen lassen, ist den meisten daher vermutlich auch bereits bekannt. In ihrem aktuellen Blogpost geht es um die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, um auf Social zu posten. Die Antwort lautet: je später, desto social.

Schon einmal im Briefing davon gehört

Im Trend: Walled Garden Für Menschen mit wirklich großen Followings kann es sich anbieten, die Community von Twitter, Facebook, etc. in eine separate App zu überführen. Dort könnte dann die Community mit exklusiven Inhalten oder Angeboten versorgt werden. Bin mir selbst noch nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, stelle aber fest, dass das in den USA gerade an verschiedenen Stelle ausprobiert wird. Die New York Times stellt eine Firma vor, die solch eine App anbietet: If people love you, why not make money from them?

  • Auf Instagram lässt sich mit der Close-Friends-Liste bei Stories ähnliches erreichen – auch diese Art des Walled Gardens lässt sich monetarisieren: ‘Close Friends,’ for a Monthly Fee (The Atlantic)

Fashion: Kein Scherz: Facebook arbeitet an einer AI, die Menschen dabei helfen soll, sich besser anzuziehen (AI / Facebook). Bin mir mit Blick auf Zuckerbergs Kleiderschrank nicht sicher, was ich davon halten soll.

Neues von den Plattformen

Snapchat

  • 3D Galore: Im Wettrennen mit Instagram und TikTok hat Snapchat mal wieder ein neues Gimmick eingeführt: den 3-D-Kamera-Mode. Hübsch.

Twitter

  • Hide Replies: Twitter hat in den USA das umstrittene „Hide Replies“-Feature eingeführt. Das Feature ermöglicht es Nutzern, Replies, die eine Konversation in eine falsche Richtung führen (oder womöglich einfach nur provozieren sollen, etc.) zu verstecken. Die Kommentare werden dadurch nicht gelöscht, sondern tatsächlich nur ausgeblendet. Durch einen Extra-Klick lassen sie sich von jedem einsehen. Let’s see how that turns out. (Techcrunch)
  • Alternative Feeds: Endlich scheint Twitter das Potential von Listen erkannt zu haben! Fortan können NutzerInnen nämlich zwischen verschiedenen Feeds direkt auf der Startseite der App hin- und herwechseln. Ein Feature, das andere Twitter-Apps übrigens bereits seit langem anbieten. Twitter just turned lists into multiple timelines you can swipe between (The Verge)

YouTube

  • Verifikation: YouTube hat seine Regeln hinsichtlich der Verifikation von Accounts erneuert. Bis zuletzt konnten Accounts verifiziert werden, die mindestens 100.000 Abonnenten hatten. Jetzt werden nur noch Accounts verifiziert, bei denen es notwendig erscheint, dass ihre Echtheit bewiesen ist, „like those belonging to a brand, public figure, artist or another creator who might be subject to impersonation, for example.“ (Techcrunch)

Facebook

  • Group Postings: Äh, ja. Es gab bei Facebook anscheinend auch in Gruppen die Option, gemeinsam in eine Story zu posten. Das war mir ehrlich gesagt überhaupt nicht klar. Die Option wird jetzt jedenfalls demnächst abgeschaltet: Facebook to shut down its group stories feature next week (CNET)

Pinterest

  • Die neue Katalog-Funktion ist nun auch in Deutschland für ausgewählte Unternehmen verfügbar. Laut Horizont gehören Otto, Fossil und Home24 zu den Testkunden, die mit der Option, den gesamten Katalog bei Pinterest hochzuladen, Erfahrungen sammeln dürfen.

KIK

  • Pivoting to Cryptocurrencies: Der Kik Messenger macht dicht. Der CEO möchte sich künftig lieber mit einer Rumpftruppe um die hauseigene Crypto-Währung Kin kümmern. (Techcrunch)

Spotify

  • Die Spotify For Artists App kriegt ein stattliches Update: neben einem frischen Design dürften vor allem die Real-Time-Stats die Künstler-Herzen schneller schlagen lassen. (Spotify)

Tipps, Tricks und Apps

iconsvg: Wer häufiger damit zu tun hat, Icons auf Websites zu bauen, der wird an dieser Website Gefallen finden. Mit iconsvg.xyz lassen sich spielerisch leicht, beliebte Icons in Farbe und Größe verändern, um sie dann per SVG einzubetten oder als SVG / PNG runterzuladen. Smooth.

Oversight: Falls du zu denjenigen gehörst, die gern ihre Webcam abkleben oder das Mikro mit Tape versiegeln, dann könnte dieses Tool etwas für dich sein: objective-see alarmiert seine Nutzer, wenn auf das Mikro oder die Kamera von Dritten zugegriffen wird. Ist da noch wer in der Leitung?

Audius schickt sich an, eine Alternative zu Soundcloud zu sein. Das brandneue Angebot bietet kostenfreies Hosting und wirbt damit, dass sehr viel weniger Musik aufgrund potentieller Copyright-Verletzungen wieder von der Seite genommen werden muss – was sich natürlich durchaus legitim anhört, extrem viele Remix-Künstlern und Produzenten bei Soundcloud aber derart nervt, dass sie seit langem nach einer Alternative suchen. Mal schauen, wie viel traction die Seite bekommt.

Kawping ist eine spannende Website, die es ermöglicht, kinderleicht Videos, Fotos und GIFs zu erstellen. Nicht, dass das andere nicht auch könnten. Kawping ist aber tatsächlich super easy zu bedinene und wirklich flott. Give it a try!

One more thing

Wenn internationale Politik in einer WhatsApp-Gruppe verhandelt würde, dann sehe das u.U. so aus, wie in dieser Präsentation vom Präsidenten der Ukraine, die im Rahmen der Yes Ukraine 2019 Konferenz gezeigt wurde. Hier ist ein Hintergrundartikel zur Aktion. Zwar total biased, aber wirklich auch ganz schön 😂

Header-Foto von Ewan Yap bei Unsplash