Salut und herzlich Willkommen zur 550. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Ich bin etwas spät dran mit dieser Ausgabe, I know. Eigentlich dachte ich auch, ich schiebe das Ding auf Montag, aber jetzt habe ich schon so viele tolle Texte, Videos und News zusammengetragen, dass ich damit dann doch noch gern heute raus wollte. Ich wünsche eine gewinnbringende Lektüre und bedanke mich für das Interesse, Martin

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Desinformationen rund um die EU-Wahl

Was ist: Die EU-Wahl hat begonnen und die Experten streiten darüber, ob es nun eine Flut an Falschinformationen in den sozialen Medien gibt (oder nicht) und welche Relevanz das Thema überhaupt hat.

  • So halten Forscher der Oxford-Universität Falschmeldungen für ein überschätztes Problem. Kollege Beuth fasst bei Spiegel Online die Ergebnisse zusammen. Zwar bekommen auf Facebook „Junk-News-Portale für einzelne Posts deutlich mehr Kommentare, Likes und Shares als seriöse Medien – in Deutschland zum Beispiel gut sechsmal so viele“, aber grundsätzlich würden klassische Medien viel mehr Inhalte posten und damit auch unterm Strich deutlich mehr Menschen erreichen. Alles nicht so schlimm also.
  • Die Aktivisten von Avaaz dagegen decken ein Netzwerk an Seiten und Accounts bei Facebook auf, die zusammen auf über 500 Millionen Views kommen. Schon erstaunlich, dass ein Netzwerk dieser Größe von Facebook selbst nicht aufgedeckt wurde.

Be smart: Egal zu welcher Einschätzung mensch im Vorfeld der Wahlen gelangt. Wir werden wohl erst in ein paar Monaten konkreter wissen, welche Bedeutung Desinformationen für die EU-Wahlen gespielt haben – das liegt einerseits an der Wissenschaft (die Zeit braucht), andererseits an den Plattformen, die viele elementare Zahlen nicht direkt rausgeben. Forscher erklären übrigens, dass die erhitzte Debatte über den Einfluss von Desinformationskampagnen das eigentliche Problem seien. Tja, auch da ist sicherlich etwas dran. Aber nicht zu berichten, ist halt auch keine Option.

Tiefgang: Wer sich dafür interessiert, wie viel die deutschen Parteien bei Facebook für Werbung im Rahmen der EU-Wahl ausgeben, der bekommt hier einen Überblick.

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Facebook Community Reporting

Was ist: Facebook hat seinen sogenannten „Community Standards Enforcement Report“ publiziert. Der Report zeigt u.a. auf, wie viele Fake-Accounts Facebook von der Seite genommen hat, bzw. wie oft Facebook Inhalte löschen musste.

Fünf Beispiele:

  • Facebook ist in der Lage, 90 bis 99 Prozent aller Verletzung der Community Standards selbst zu erkennen.
  • Wenn es allerdings um Mobbing geht, sieht die Zahl schon ganz anders aus. Hier hat Facebook nur 14 Prozent der 2,6 Millionen gemeldeten Vorfälle erkannt.
  • Und auch beim Thema Hate Speech sieht es nicht ganz so rosig aus: hier hat Facebook lediglich 65,4 Prozent der 4 Millionen gemeldeten Vorfälle erkannt.
  • Im ersten Quartal 2019 hat Facebook 2,19 Milliarden Fake Accounts von der Seite genommen.
  • Zudem meldet Facebook 1,76 Milliarden Vorfälle, bei denen Spammer Inhalte auf Facebook lanciert haben.

Die Daten im Überblick:

Zusätzlich zum Report hat Facebook 15 Hinweise eines Experten-Teams publiziert, die über Monate beobachtet haben, wie Facebook die Haus-Regeln (read: Community Standards) exekutiert. Zusammengefasst fallen die Vorschläge (laut Facebook) in folgende Kategorien:

  • Additional metrics we could provide that show our efforts to enforce our polices such as the accuracy of our enforcement and how often people disagree with our decisions
  • Further break-downs of the metrics we already provide, such as the prevalence of certain types of violations in particular areas of the world, or how much content we removed versus apply a warning screen to when we include it in our content actioned metric
  • Ways to make it easier for people who use Facebook to stay updated on changes we make to our policies and to have a greater voice in what content violates our policies and what doesn’t

Be smart: Die Zahlen des Reports zeigen, in welchen Dimensionen Facebook agieren muss – dass es ganz ohne Automatisierung geht, ist ein Irrglaube. Dass es ganz ohne menschliche Moderatoren geht – aber auch. Das weiß auch Facebook und hat für einige von ihnen die Arbeitsbedingungen verbessert.

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Daten, Daten, Daten

Facebook & Mobilfunkanbieter machen gemeinsame Sache, wenn es um das Überwachen der NutzerInnen geht. So würden laut The Intercept nicht nur Infos über die Geräte der Facebook-Mitglieder und die Nutzung von Wi-Fi- und Mobilfunknetzen erfasst werden, sondern auch frühere Standorte, Interessen und sogar ihre sozialen Gruppen.

Influencer bei Instagram „exposed“: Die Welt ist ein Dorf und alles hängt mit allem zusammen. So oder so ähnlich lautet die Botschaft des Vorfalls, der diese Woche bei Instagram für Aufsehen gesorgt hat. Eine Agentur aus Mumbai hatte Infos von Millionen von Influencern aus aller Welt zusammengetragen und nicht ordentlich gesichert – so konnten Dritte die Datensets womöglich abgreifen und auch an private Email-Adressen und Telefonnummern gelangen (Techcrunch).

WhatsApp gehackt: Auch WhatsApp hatte jüngst mit einem Hack zu kämpfen. So berichtete die Financial Times, dass durch eine Schwachstelle bei WhatsApp allein mit Hilfe der Telefonnummer Spionagesoftware auf das Handy von NutzerInnen installiert werden konnte. Anscheinend wurde die Software von der saudi-arabischen Regierung genutzt, um ihre Gegner auszuspionieren.

Getting my data back: Wer gerade noch auf der Suche nach einer guten Geschichte ist oder sich ein Beispiel in Sachen Hartnäckigkeit nehmen möchte: Ruben Verborgh dokumentiert auf seiner Website seinen schwierigen Kampf mit Facebook in Sachen GDPR Request.

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Blick nach Osten | ByteDance Roundup

Flipchat heißt die neueste App aus dem Hause ByteDance. Flipchat ist eine Art Hybrid aus Messenger und Gruppe / Forum (Techcrunch). In einer der kommenden Ausgaben werde ich ausführlich auf die App eingehen.

Musikstreaming: Na sicher doch! ByteDance versucht sich jetzt auch in Sachen Musikstreaming und bastelt an einem eigenen Angebot (Techcrunch).

Klauen von TikTok: Während früher™ Facebook von Snapchat geklaut hat, klaut jetzt Instagram von TikTok (und Snapchat).

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Zitat der Woche

Rather than the current situation where we just weren’t paying attention and Google and Facebook, etc., built up huge caches of our private information, you would have the choice to sell Google your search history in return for a micropayment. Or you would sell Apple your photos in return for a micropayment, etc. I think it’s an interesting way of turning the current model on its head. But we’re not going to get there without some very significant government intervention along the lines of the debate that’s been raging about Facebook. Tech alone won’t achieve this jiu-jitsu move.

 

Quelle: Tom Glocer, Morgan Stanley

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Schon einmal im Briefing davon gehört

Amazon Emotion Tracking: Amazon arbeitet an einem Armband, das Emotionen tracken soll. Es geht darum, dass Alexa zwischen den Gefühlslagen "happiness, joy, anger, sorrow, sadness, fear, disgust, boredom and stress" zu unterscheiden lernt. Wer würde dabei nicht gern helfen wollen?

Tea-Accounts bei YouTube: Wer sich noch nicht so sehr mit den Eigendynamiken von YouTube auskennt, darf gern mal in diesen Artikel reinlesen. Darin beschreibt die wunderbare Taylor Lorenz, warum sich sogenannte Tea-Accounts zunehmender Popularität erfreuen. Tea-Accounts sind quasi Regenbogen-Presse auf Crack.

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Tipps fürs Wochenende

Wenn das Internet überall ist: Kollege Dirk von Gehlen hat wunderbar aufgeschrieben, wie es sich anfühlt, in einer Online-Gesellschaft zu leben – seine Eindrücke aus Südkorea zeigen, wohin auch in der westlichen Welt vielerorts die Reise gehen könnte. (SZ)

Big in Japan: Wo wir gerade beim Blick Richtung Osten sind, noch eine Empfehlung für alle, die sich für Twitter interessieren: How Twitter became ubiquitous in Japan. (Bloomberg)

Ghost Workers: Damit gut bezahlte Ingenieure und Programmierer an künstlichen Intelligenzen basteln können, braucht es ein Heer an schlecht bezahlten Arbeitern, die Daten aufbereiten, Statistiken übertragen, Code aufräumen, und, und, und. Mary Gray hat ein tolles Buch über diese neue Arbeiterklasse – die Ghost Worker – geschrieben. (The Verge)

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Extra-Tipps fürs Wochenende (und danach)

Leider konnte ich dieses Jahr nicht zur re:publica. Um so mehr freue ich mich daher, dass die Vorträge & Diskussionen auf YouTube allen Interessierten zur Verfügung stehen. Gern möchte ich diese Woche die folgenden drei Beiträge empfehlen:

It's the patriarchy, stupid: Sigi Maurer erzählt ihre absurde Geschichte von Hass (im Netz und im echten Leben) und den juristischen Fallstricken, die ein entschiedenes Vorgehen dagegen für Privatpersonen nahezu unmöglich machen.

The Kids are Alt-Right: Patrick Stegemann und Sören Musyal sprechen in ihrem Talk über die Strategien von rechten Influencern auf YouTube, Facebook und Co. Spoiler: Es sind die gleichen, wie bei allen anderen Influencern auch. Und genau das macht sie so gefährlich – zumindest in der Theorie.

Microtargeting: Wie genau funktioniert das eigentlich mit dem Microtargeting und warum spricht alle Welt darüber? Ingo Dachwitz hat Antworten.

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Neues von den Plattformen

Apple

  • Werbung bei Safari: Apple arbeitet weiter an seinem Ruf als datenschutzfreundliches Unternehmen und erklärt, dass Werbeanzeigen NutzerInnen künftig nicht mehr durchs ganze Netz verfolgen sollen. Das dürfte den Googles und Facebooks dieser Welt nur so halb gut gefallen. (Webkit)

Google

YouTube

Instagram

  • Jetzt doch Landcsape: Instagram knickt ein und lässt künftig bei IGTV auch horizontale Videos zu (Digiday). Eigentlich war IGTV ja damit angetreten, lediglich für das Smartphone optimierte Videoinhalte zuzulassen – sprich: hochkant! Doch jetzt muss Instagram der Situation Tribut zollen, dass nicht genügend Publisher / Produzenten gewillt sind, eigens für IGTV Inhalte zu produzieren. Warum auch? Wenig los, keine Werbung. Seen. Satta.

WhatsApp

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One more thing

Zerstörung: Ich freue mich sehr, dass das Video von Rezo so sehr die Runde gemacht hat. Ich freue mich sehr, dass die Themen, die Rezo anspricht, jetzt womöglich auch auf Pausenhöfen stäker diskutiert werden. Ich finde es allerdings unerträglich, wie sich über Politiker wie Philipp Amthor lustig gemacht wird. Wer das macht, ist nicht besser als irgendein rechter Troll.

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Header-Foto von Ryan Tang bei Unsplash