Salut und herzlich Willkommen zur 507. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute blicken wir auf die heftigen Interaktions-Einbußen bei Facebook, den Verkauf von Mic an Bustle und die Frage, ob wir bereits Peak Video erleben. Ich bedanke mich für das Interesse an unserem Newsletter und die Wertschätzung für unsere Arbeit – ohne Dich wäre das hier alles nicht. Merci, Martin & Team

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The End of the Beginning

Was ist: Benedict Evans gibt traditionell zum Ende des Jahres einen Überblick zum Status Quo der Tech-Branche. Evans Interesse dabei ist recht klar: als Partner einer der größten Risikokapitalgeber (Andreessen Horowitz) ist seine Sicht der Dinge vor allem wirtschaftlicher Natur. Und dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – lohnt es sich, seinen Ausführungen zu lauschen.

Was sind Evans Thesen?

  • Evans geht davon aus, dass die letzten zwanzig Jahre davon geprägt waren, Menschen Zugang zum Internet zu geben. Die Access-Story wäre aber fast zu Ende geschrieben.
  • In den nächsten zwanzig Jahren ginge es nun aus seiner Sicht in erster Linie darum, das Geld auch online zu Verteilen / erwirtschaften, denn dort würden wir noch komplett am Anfang stehen.

Warum ist das ein Thema für das Briefing?

  • Während wir die letzten Jahre damit beschäftigt waren, Apps, Websites und Services auf den Ideen Search und Social Media aufzubauen, würden wir uns in den kommenden Jahren primär um die Bereiche Machine Learning und Cryptocurrencies kümmern.
  • Mit anderen Worten: Wir sollten uns nicht wundern, wenn für all die großen Unternehmen, mit denen wir uns hier fortwährend beschäftigen, die Themen Search & Social zwar weiter elementar sind, sie aber zunehmend die Fühler in Richtung Machine Learning und Crypto ausstrecken.

Be smart: Evans hat natürlich ein großes wirtschaftliches Interesse daran, dass möglichst viele seinen Visionen folgen. Gleichwohl sind die Ideen, die er anbringt, mit jenen von Amy Webb, Gründerin des Future Today Institute und Stammgast im Briefing weil Stammgast bei der Online News Association, absolut deckungsgleich. Könnte also etwas dran sein an dem, was der Mann in einer unnachahmlichen Art erzählt.

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Facebooks Diversity Problem

Was ist: Facebook sieht sich damit konfrontiert, angeblich ein Problem mit Schwarzen zu haben. Das jedenfalls behauptet Mark Luckie in seinem Abschiedsmemo, das er bei Facebook geteilt hat.

Warum ist das interessant?

  • Mark Luckie ist nicht irgendwer. Er gilt als profilierter Tech-Stratege. Jahrelang war er damit betraut, Nachrichten-Organisationen an die Silicon-Valley-Riesen heranzuführen. Wenn er seine Stimme erhebt, wird er gehört.
  • Zudem sprechen die Zahlen für Luckies These: lediglich vier Prozent der Mitarbeiter bei Facebook sind schwarz. (Facebook Newsroom)
  • Für Facebook ist der Vorwurf, zu wenig für Diversity zu tun, ein weiteres Feld, das Kopfschmerzen verbreiten dürfte – und für Unruhe sorgen könnte.

Der größere Zusammenhang: Bislang gibt es nur sehr wenige vergleichbare Berichte von Facebook. Die Angst vor Repressionen scheint enorm. Vielleicht ist aber auch der Corps-Geist einfach zu groß. In einem sehr lesenswerten Beitrag beschreibt der Designer Mike Monteiro, wie sehr Facebook versuchen würde, vom ersten Tag an ein Gemeinschaftsgefühl zu initiieren. Zitat:

Losing a job doesn’t just mean losing a paycheck, it means being ostracized from your community.

Be smart: Bei anderen Silicon-Valley-Riesen haben wir jüngst erlebt, das Mitarbeiter gegen interne Vorgänge und Strukturen öffentlich aufbegehren – denken wir etwa nur an den Google Walkout. Man darf gespannt sein, ob und wann Ähnliches bei Facebook passieren wird. Ein, zwei Gründe würden mir persönlich dafür schon einfallen. Aber ich arbeite ja auch nicht bei Mark – wie Facebook-People sagen würden.

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Kampf gegen Desinformationen

Wusste Facebook schon viel früher von Versuchen russischer Einflussnahme? Facebook wusste angeblich bereits seit 2014 von Versuchen Russlands, Daten von der Plattform abzuziehen. Das jedenfalls geht aus Unterlagen hervor, die Gegenstand eines Prozesses gegen Facebook sind und nun bei einer Anhörung in Großbritannien zur Sprache kamen (Deutschlandfunk). Prinzipiell ist in dieser Geschichte auch noch sehr viel mehr Musik. Letztlich gibt es bislang aber wenig harte Fakten. Nächste Woche sollen einige der Unterlagen veröffentlicht werden – dann mehr dazu an dieser Stelle.

ByteDance bezahlt Nutzer im Kampf gegen Fakes: Auch China hat massiv mit Desinformationen auf Social Media zu kämpfen. Zwar kann ich von hier aus nicht wirklich gut bewerten, ob es sich dabei um solche Desinformationen handelt, die nur von der chinesischen Regierung als solche eingestuft werden oder ob sie auch in der westlichen Lesart als solche gewertet würden. Sehr wohl aber ist der Ansatz interessant, den ByteDance für seine App Toutiao wählt: neben offiziellen Fact Checken werden Nutzer dafür bezahlt, wenn sie erfolgreich Fake News widerlegen. (Abacus News) Mehr zu ByteDance im Verlauf des Briefings.

Medien in UK ausgenommen vom Archiv für politische Werbung: Fortan müssen sich auch alle Akteure in UK registrieren lassen, wenn sie Werbung für politische Botschaften auf Facebook schalten wollen. Interessanterweise werden aber News-Anbieter in UK entgegen den Modalitäten in anderen Ländern davon ausgenommen, dass ihre promoted Stories archiviert werden. Sollte das gut funktionieren, würde diese Ausnahmeregelung auch auf andere Länder ausgeweitet. Das wäre in der Tat sehr wünschenswert. (The Guardian)

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Facebook & Journalismus

Dramatische Einbußen bei Interaktionen : Kollege Jens Schröder hat für Meedia eine spannende Recherche zu den Interaktionen der 1500 größten Facebook-Pages von Medienmarken angestellt. Die Untersuchung zeigt, dass die allermeisten Seiten im Anschluss an die News-Feed-Umstellungen wirklich drastische Verluste hinnehmen mussten: wir sprechen hier von Interaktions-Einbußen von bis zu 96 Prozent innerhalb eines Jahres – etwa bei Bild am Sonntag, Business Insider Deutschland und BuzzFeed Deutschland. Gleichzeitig konnten einige der seriöseren Adressen sogar zulegen – etwa FAZ, ZDF oder Zeit Online. Selbst wenn es viele verschiedene Gründe dafür geben dürfte, warum die Interaktionen für die meisten derart stark eingebrochen sind, zeigt es am Ende vor allem eins: lass Facebook niemals die Grundlage deines Geschäftsmodells sein. Womit wir direkt beim nächsten Thema wären…

Mic wohl verkauft: Als ich damals vom ZDF zu SPON wechselte, um bento aufzubauen, war das US-Portal Mic eins der großen Vorbilder für mich hinsichtlich der Frage, wie junger Journalismus im Internet aussehen könnte. Zwischenzeitlich war Mic sogar mit Hunderten Millionen Dollar bewertet. Nun sieht es so aus, als würde es für gerade einmal fünf Millionen Dollar an Bustle verscherbelt (NYPost). Auch wird wohl eine Vielzahl der MitarbeiterInnen gehen müssen. Publisher Cory Haik ist bereits von Bord (NiemanLab). Die Gründe für den Niedergang von Mic sind vielschichtig. Einen enormen Anteil dürfte der „Pivot to Video“ gehabt haben. Den Todesstoß aber – wenn ich ausnahmsweise einmal so martialisch sein darf an dieser Stelle – hat wohl ein geplatzter Deal mit Facebook ausgemacht. Genauer gesagt: Facebook hatte sich einfach entschieden, künftig andere Videos auf der Plattform sehen zu wollen, vornehmlich solche, die auf ein älteres Publikum zielen (Briefing 506) . Da passte das Angebot von Mic nicht mehr rein. Somit darf sich die Website also einreihen in die Gruppe all jener Digital-Only-Angebote, die sich viel zu sehr auf Facebook verlassen hatten. Herzlichen Glückwunsch! Nicht.

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Video Boom

YouTube Premium: In der letzten Ausgabe hatte ich noch berichtet, dass YouTube in Sachen Mobile Video auch auf bezahlte Abos setzen würde. Das sieht nun heute schon wieder ganz anders aus – ist aber auch alles schnelllebig hier. Man, man, man. YouTube schafft ab 2019 jedenfalls sukzessive Bezahl-Abos ab und bietet Shows künftig gegen Werbung an. (Variety)

Short Video Craze: ByteDance, Mutterfirma von Douyin/TikTok und Toutiao, ist das wertvollste Startup der Welt. Mit einer Bewertung von 75 Milliarden Dollar ist es mehr wert als Uber. Hauptgrund für diese hohe Bewertung ist der Erfolg von ByteDance in Sachen Mobile Video – ein Segment, das The Information zufolge in China massiv genutzt wird. Doch wie es immer so ist mit Boom-Branchen: irgendwann ist ein Peak erreicht. Für ByteDance könnte dieser Video-Peak bereits im Juni erreicht worden sein. Kein Wunder also, dass sie derzeit so massiv versuchen, im Westen Fuß zu fassen…

NBA jetzt bei TikTok: TikTok scheint wirklich ganze Arbeit zu leisten, um in der westlichen Welt ein Publikum zu finden. Jetzt ist jedenfalls die NBA mit einer eigenen Präsenz auf TikTok vertreten (Abacus News). Ich bin wirklich sehr gespannt, wie das mit TikTok weitergeht. Auf Snapchat jedenfalls sehe ich nur noch TikTok-Werbung. Mal gucken, wann hier die ersten Stars mit viel öffentlichem TamTam zu TikTok wechseln.

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Studien zu Social Media

Teens glücklicher mit Social als gedacht: Das wird jetzt für einige Leser ziemlich hart, aber: Teenager sind tatsächlich ganz glücklich mit Social Media. Die Plattformen hätten wirklich positive Auswirkungen, geben über 700 Probanden in einer Pew-Studie mehrheitlich zu Protokoll. Klar, bei einigen führt es auch dazu, dass bestehende Ängste verstärkt / gefördert werden – und ich wäre einer der letzten, die das kleinreden würden. Grundsätzlich scheint es aber fast so, als hätten die heutigen Teenager in den USA bereits ein ganz anderes Verhältnis zu Social als wir es haben – geradezu abgeklärt. Spannend! (BuzzFeed)

Kinderfotos im Netz: Eine andere Studie wirft die Frage auf, ob Eltern nicht die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder verletzen, wenn sie ungefragt oder entgegen dem ausdrücklichen Willen ach so niedliche Fotos von ihren Kids auf Social Media teilen (Netzpolitik). Ich halte es ja so, dass ich gar keine Fotos von meinen Kids auf Social teile – auch wenn sie NATÜRLICH die niedlichsten überhaupt sind. Ich bilde mir , dass ich ihnen damit einen Gefallen tue. Vielleicht denken sie aber auch in zwanzig Jahren, dass sie mir peinlich waren und ich deshalb nichts auf Insta von ihnen geteilt habe. Eine Frage des Zeitgeists. Wir werden’s sehen.

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Social Media & Politik

Vorbildliche Social-Media-Politiker: Der großartige Martin – Wahlbeobachter – Fuchs hat in einem sehr freundlichen Text über zehn PolitikerInnen geschrieben, die man mit Blick auf ihre Social-Media-Aktivitäten löblich erwähnen könnte. Neben den üblichen Verdächtigen wie Bär und dem Influencer Lindner sind darunter einige Damen und Herren, die ich so noch nicht kannte, deren Auftritte ich mir jetzt aber mal etwas genauer anschauen werde. Danke dafür, Martin! (Hamburger Wahlbeobachter)

Richtig großes Kino erleben wir allerdings ehrlicherweise drüben in den Staaten, wenn wir uns das Instagram-Profil von Alexandria Occasion Cortez anschauen. Was Twitter für Trump, ist Instagram für Cortez. Ein spannender Beitrag zur Social-Media-Strategie von einer der Hoffnungsträgerinnen der US-Demokraten. (BuzzFeed News)

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Schon mal im Briefing davon gelesen

Dezentrale Social-Media-Startups, die auf der Blockchain-Technologie beruhen, hatten auch in unserem Briefing einmal ihren Moment. Jetzt stellen wir fest, die Luft ist ziemlich raus. Eins der Vorzeige-Netzwerke, Steemit, muss 70 Prozent der Mitarbeiter entlassen. (TechCrunch) Sieht so aus, als würde es eben doch richtiges Geld kosten, entsprechende Strukturen aufzubauen. Aber davon kann das hochgelobte Journalismus-Blockchain-Startup Civil ja ein Lied singen. Wenn auch ein sehr trauriges. (NiemanLab)

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Empfehlungen fürs Wochenende

Podcast-Biz: Die Washington Post versucht dem Dauerkonkurrenten New York Times mit einem neuen Podcast Konkurrenz zu machen (Digiday). Der zwanzigminütige Nachrichten-Überblick soll einmal täglich die wichtigsten News aufbereiten und dem Podcast-Wunder The Daily das Wasser abgraben. Das dürfte sich aber ziemlich schwierig gestalten, wie dieses lesenswerte Porträt von Michael Barbaro, dem Host von The Daily, zeigt (Vanity Fair). Angeblich erzielt The Daily Werbeeinnahmen im achtstelligen Bereich. Holla!

Digitale Depression: Wie verändert die digitale Revolution unser Leben tatsächlich? Woher kommt das allgemeine Unbehagen, das Gefühl einer gewaltigen Überforderung? Inwieweit degradiert der technische Fortschritt den Menschen zu einem Optimierbarkeits-Objekt – und was ließe sich dagegen unternehmen? Ist es nicht vielleicht doch möglich, dieser Revolution das Gefühl abzugewinnen, sie könnte unser Leben schöner machen? Konstanze Kurz und Kathrin Passig sprechen im Hörsaal des NDR über digitale Depression und ich habe den Teaser-Text dazu schamlos raubmordkopiert. (NDR)

Tech-Reporter-Porträt: Wie gestaltet sich eigentlich das Leben als Tech-Reporter im Silicon Valley? Gar nicht soooo viel anders als beim Lokal-Journalisten um die Ecke, zeigt dieses lesenswerte Porträt in der New York Times. Es lebe Zettel und Stift!

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Neue Features bei den Plattformen

Facebook

  • Today In: Nun ist es tatsächlich soweit: Facebook rollt das neue Feature „Today In“ in über 400 Städten in den USA aus (Facebook Newsroom). Künftig finden Nutzer in eben jenen Städten in ihrem News Feed eine aggregierte Übersicht mit den „wichtigsten“ News, Events, Gruppen und Diskussionen aus der jeweiligen Region. Hintergrund ist das Ergebnis einer Umfrage, in der über 50 Prozent der Facebook-Nutzer angegeben hatten, dass sie sich mehr lokale News wünschen. „Today in“ gibt es nur mobil und wird garantiert bald in den Schlagzeilen sein, weil der Algorithmus wieder irgendeinen Schund empfohlen hat – Trending Topics reloaded. Eigentlich total irre, dass Facebook ein derartiges Feature gerade jetzt lanciert. Als hätten sie nicht schon genug Stress an der Backe. (TechCrunch)

YouTube

  • Stories: YouTube hatte ja bereits vor knapp einem Jahr angekündigt, ebenfalls ein Stories-Feature auf der Plattform anbieten zu wollen. Jetzt wird das Feature an Kreative mit mindestens 10.000 Abonnenten ausgerollt. Im Vergleich zu Instagram Stories können die Stories bei YouTube sieben Tage angeschaut werden und sind wohl eher als Ergänzung zu den eigentlichen Videos gedacht – nicht als Ersatz. Auch gibt es bis dato keine Swipe-Up-Option. Kreative zeigen sich auf Reddit skeptisch.

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One more thing

Auf Twitter habe ich für diesen Post zur Bosstransformation von Jeff Bezos noch nicht ein Like bekommen, aber ich finds witzig.