Salut und herzlich Willkommen zur 489. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Diese Woche übernehme ich: Simon, (noch) Redakteur bei der SZ, wo ich über alle Themen schreibe, die mit dem Internet und sozialen Medien zu tun haben. Früher habe ich diesen Newsletter regelmäßiger selbst verschickt, mittlerweile unterstütze ich Martin hauptsächlich mit Links und Einschätzungen. Gestern habe ich das Briefing noch verschoben, da die Social-Media-Welt übers Wochenende weitgehend still stand. In den vergangenen 24 Stunden hat sich das grundlegend geändert, denn …

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Die Instagram-Gründer treten zurück

Was ist: Instagram muss sich einen neuen Chef suchen. Kevin Systrom und Mike Krieger verlassen das Unternehmen. Gerade einmal sieben Sätze braucht Systrom, um die Entscheidung im offiziellen Blog bekannt zu machen. Die beiden wollten sich "eine Auszeit nehmen, um Neugierde und Kreativität" zu entwickeln. Vage deutet Systrom an, dass sie "neue Dinge bauen" wollten und "bereit für das nächste Kapitel" seien. Sonst enthält das Statement nur PR-Floskeln.

Warum ist das interessant? Instagram ist auf dem besten Weg, für Facebook (Inc., das Unternehmen) wichtiger zu werden als Facebook (das soziale Netzwerk). Analysten schätzen, dass Instagram 2020 bereits 20 Milliarden Dollar umsetzen wird – ein Viertel des blauen Mutter-Mediums. Wenn Instagram nach dem Gründer-Exit noch stärker auf Monetarisierung setzt, könnte diese Prognose steigen. Vor allem wächst Instagram viel schneller als Facebook, das insbesondere in westlichen Ländern (also dort, wo Facebook den Großteil seiner Werbeeinnahmen erzielt) kaum noch neue Nutzer hinzu gewinnt. Bei US-amerikanischen Teenagern hat Instagram Facebook bereits abgehängt, wie diese Grafik bei Quartz zeigt.

Als Facebook seinen Aktionären im Juli einen wenig verheißungsvollen Ausblick gab, brach der Kurs ein. Dagegen blieb Instagram in den vergangenen Jahren von größeren Datenschutzskandalen verschont, auch die Desinformationskampagne mutmaßlich russischer Hacker spielte sich in erster Linie bei Facebook ab. Insofern genießt das Netzwerk bei den meisten Nutzern einen unverändert guten Ruf und ist neben Whatsapp Facebooks große Hoffnung für die Zukunft.

Der größere Zusammenhang: Bislang gibt es nur Mutmaßungen über die genauen Gründe, die Systrom und Krieger veranlassten, Instagram zu verlassen. Davon gibt es allerdings reichlich, und sie gehen alle in dieselbe Richtung: Von "steigenden Spannungen mit Mark Zuckerberg" berichtet Sarah Frier bei Bloomberg, "Frustration angesichts Zuckerbergs zunehmender Einmischung" nennt Kurt Wagner bei Recode, und Josh Constine schreibt bei Techcrunch, dass sich der Facebook-Chef und die Instagram-Doppelspitze im vergangenen Jahr zunehmend uneins gewesen sein, wie unabhängig Instagram bei strategischen Entscheidung agieren soll. Alle berufen sich auf nicht näher genannte Quellen.

Natürlich gibt es in einem Unternehmen immer Mitarbeiter, die bestimmte Informationen bewusst an Journalisten weitergeben und dabei ein Eigeninteresse verfolgen. Nicht immer vermitteln Leaks ein zutreffendes Stimmungsbild. Aber wenn drei renommierte Tech-Journalistinnen und Journalisten unabhängig voneinander zu ähnlichen Schlüssen kommen (vorausgesetzt, dass nicht alle mit derselben Person gesprochen haben), sehe ich wenig Anlass für Zweifel.

Jedoch merkt Ben Thompson bei Stratechery an, dass es nicht reiche, sich auf die Entwicklung der vergangenen Monate zu fokussieren. Um den Rücktritt von Systrom und Krieger zu verstehen, müsse man den 9. April 2012 betrachten – jenen Tag, an dem Facebook Instagram für damals knapp eine Milliarde Dollar (aufgrund steigender Aktienkurs hat sich der Kaufpreis mittlerweile vervierfacht) übernahm. Damals hätten die beiden die Kontrolle über Vermarktung abgegeben – und damit die Kontrolle über das Schicksal des Unternehmens. Systrom habe ein großartiges Produkt gebaut, aber maßgeblich von dem mit Facebook geteilten Werbe-Backend profitiert. Jetzt sei es an Facebook, die größte Herausforderung zu lösen, die Instagram bevorstehe: Wie lässt sich das Stories-Format monetarisieren?

Dank der besonderen Unternehmensstruktur mit Aktien ohne Stimmrecht hat Zuckerberg fast uneingeschränkte Kontrolle über Facebook (bei Heise ist das Modell beschrieben, Alphabet macht es ähnlich). Wenn es darauf ankommt, kann er alle anderen überstimmen. "Bei Facebook gibt es einen König. Und es wird immer nur einen König geben", schreibt Om Malik treffend. Nach Oculus-Gründer Palmer Luckey (von Facebook 2014 für gut 2 Milliarden Dollar übernommen) und den Whatsapp-Gründern Brian Acton und Jan Koum (von Facebook 2014 für rund 20 Milliarden Dollar übernommen) gehen nun die Gründer des dritten großen Unternehmens, dass Facebook geschluckt hat. Zuckerberg hat die Muskeln spielen lassen.

Vielleicht ist aber auch nicht nur Zuckerberg schuld: Das Wall Street Journal hat soeben ein langes Portrait von Systrom veröffentlicht, das eigentlich erst Mitte Oktober hätte erscheinen sollen. Die Gespräche wurden vor dem Abschied geführt, dementsprechend spielt das Thema keine Rolle – zumindest nicht direkt. Anfang des Jahres ist Systrom zum ersten Mal Vater geworden. "Fatherhood has made Systrom protective of his own time", schreibt Seth Stevenson. Womöglich war das auch ein Grund für die Entscheidung, Instagram zu verlassen.

Wie geht es weiter? Hier gilt es zu unterscheiden: zwischen der Zukunft des Produkts (das betrifft die Nutzer unmittelbar) und der Zukunft des Unternehmens (das betrifft unmittelbar nur ein paar Menschen an der Spitze von Instagram). Allerdings ähneln sich die Antworten: Nichts Genaues weiß man nicht. Ob und wie die neue Chefin, der neue Chef oder die neuen Chefs Instagram verändern werden, ist unklar. Nur eines scheint festzustehen: Facebook will Instagram enger an sich binden und das Netzwerk künftig noch profitabler machen – weniger Werbung werden Nutzer also mit Sicherheit nicht zu sehen bekommen. Vermutlich werden die beiden Netzwerke stärker verwoben, etwa indem Instagram-Fotos automatisch bei Facebook geteilt werden. Techcrunch zufolge soll Zuckerberg darauf gedrängt haben, Systrom habe sich widersetzt.

Bislang gibt es nur Spekulationen, wer diese Entscheidungen verantworten wird. Sarah Frier und Josh Constine sowie Sarah Kuranda von The Information bringen den Namen Adam Mosseri ins Spiel. Der Zuckerberg-Vertraute verantworte früher den Newsfeed bei Facebook und wechselte im Mai zu Instagram. Angeblich habe der "brillante Stratege" Zuckerberg dabei schon einen möglichen Nachfolger für Systrom und Krieger installieren wollen. Mosseri war früher einer von wenigen Facebook-Angestellten, die rege twitterten und mit Nutzern oder Journalisten diskutierten (zwischendurch war sein Account etwas ruhiger, weil Mosseri in Elternzeit war). Ich habe Mosseri ein paar Mal auf Konferenzen und bei Hintergrundgesprächen erlebt. Er ist auf jeden Fall ein Mensch, der auch ohne ausführliches PR-Briefing weiß, wie er in der Öffentlichkeit und mit Journalisten sprechen muss (was ihn von Zuckerberg unterscheidet).

Be smart: Facebook hat in den vergangenen 18 Monaten alle Gründer verloren, deren Unternehmen es aufgekauft hatte. Hinzu kommen etliche Personalrochaden und Abgänge von hochrangigen Managern, etwa der Wechsel des Sicherheitschefs Alex Stamos nach Stanford im August. Genau wie Stamos galten auch die Whatsapp-Gründer Acton und Koum als kritische Köpfe, die das Wohl der Nutzer im Zweifel über den Profit den Unternehmens stellten. Es ist vermutlich kein Zufall, dass binnen kurzer Zeit so viele Mitarbeiter gehen, die Monetarisierung hintenan stellen.

Immer wieder betont Zuckerberg, dass er sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sei. Facebook solle Menschen vernetzen, die Welt offener machen und seinen Nutzern dienen. Ich glaube, man sollte Unternehmen nicht an den Worten seiner Chefs messen, sondern an seinen Taten. Im Falle von Facebook sprechen die eine deutliche Sprache: Die Aktionäre wollen Umsatz sehen, und die meisten langfristigen strategischen Entscheidungen spiegeln das wider.

Von 2019 an wird Facebook anfangen, Whatsapp zu monetarisieren und Anzeigen schalten zu lassen. Auch Instagram dürfte künftig noch weiter gemolken werden. Die Nutzer gewinnen nichts, wenn Facebook die Daten von Whatsapp, Instagram und Facebook zusammenlegt. Die einzigen, die sich freuen, sind die Werbekunden.

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Google erfindet sich neu

Was ist: Zum 20. Geburtstag krempelt Google die Suche grundlegend um. Die Ergebnisseite wird visueller und videolastiger, erhält Aktivitätskärtchen und dynamische Suchergebnisse und integriert den Google-Feed, ehemals Google Now, künftig Discover genannt, direkt in die mobile Webseite (alle Links führen auf die Ankündigungen im offiziellen Google-Blog). Der letzte Punkt ist mit Abstand am wichtigsten. Alle Änderungen werden im Laufe der kommenden Wochen ausgerollt.

Was passiert genau? Wer Google.com oder Google.de auf dem Smartphone öffnet, sieht künftig eine "mobile Homepage, auf der ihr nicht nur suchen, sondern auch nützliche, relevante Informationen und Inspirationen aus dem Internet für die Themen finden könnt, die euch am wichtigsten sind", wie Google selbst schreibt. Algorithmen sollen den Nutzern personalisierte Inhalte anzeigen. Google will Menschen die Dinge zeigen, für die sie sich interessieren, bevor sie danach suchen. Bislang war der Feed nur in der Google-App zu sehen, auf der mobilen Seite wird er deutlich mehr Nutzer erreichen.

Warum ist das interessant? Jahrzehntelang war Google eine minimalistische, weiße Seite mit schmalem Suchschlitz. Googles Ziel war es, Nutzern die Ergebnisse zu liefern, die sie suchten, und sie dann so schnell wie möglich wegzuschicken. Das hat sich fundamental verändert. Google hat massiv in Machine Learning, persönliche Assistenten, eigene Hardware und smarte Lautsprecher investiert. Das Unternehmen will Nutzern den richtigen Inhalt zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzeigen oder abspielen – und diese Entscheidung selbst treffen, statt die Nutzer googeln zu lassen. Das markiere eine "echte Veränderung hinsichtlich der Frage, wie normale Menschen Google nutzen, und wofür Google steht", schreibt David Ruddock, leitender Redakteur von Android-Police, in einer lesenswerten Analyse.

Be smart: Am Ende geht es natürlich auch ums Geld. Der Feed ist eine weitere Möglichkeit für Google, Nutzern Werbung anzuzeigen. Wenn diese mit den Informationen interagieren, sammelt Google weitere wertvolle Daten, um Inhalte und Anzeigen noch genauer zu personalisieren. Google bereitet sich auf eine Zeit vor, in der Smartphones an Bedeutung verlieren werden. Wenn in jedem Haushalt smarte Displays und smarte Lautsprecher stehen und Menschen mit persönlichen Assistenten reden, gewinnt derjenige, der den Nutzern am zuverlässigsten die interessantesten Inhalte anbietet.

"Der Google-Feed und vergleichbare Produkte sind bloß der Anfang einer Machine-Learning-getriebenen Revolution", schreibt Ruddock. Er prognostiziert, dass wir in zehn Jahren alle zurückblicken und Googles Entscheidungen als sehr vorausschauend betrachten werden. Wenn ich auf diese Prognose wetten könnte, würde ich recht viel Geld darauf setzen.

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Social Media & Demokratie

Facebook weniger embedded: Facebook wird sich künftig nicht mehr so direkt in Wahl-Kampagnen einbinden lassen wie noch bei der US-Wahl 2016. So wolle man zwar noch beratend zur Seite stehen hinsichtlich Technik-Fragen, aber keine strategischen Empfehlungen mehr abgeben. Der Hintergrund: Bei der US-Wahl 2016 gingen Facebook-Mitarbeiter bei Trump ein und aus – Clinton hatte das nicht gewollt. Das Ergebnis ist allen bekannt. (Bloomberg)

Snapchat will mobilisieren: Auch Snapchat fährt nun seine eigene Wahl-Mobilisierungskampagne in Kooperation mit TurboVote. Ähnlich zum Vorgehen bei Instagram wird es auch Sticker geben, die anzeigen, dass man sich für die Midterms 2018 registriert hat. Zudem kann man das auch im eigenen Profil zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus gibt es Werbung, um Wähler zum Registrieren zu verleiten. (Mashable)

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Kampf gegen Desinformation

Mitarbeiterin verklagt Facebook: Über die schwierigen Arbeitsbedingungen bei Facebooks Content Moderatoren haben wir ja bereits häufiger geschrieben – vor allem auch im Zusammenhang mit der Dokumentation The Cleaners. Nun hat eine ehemalige Content Moderatorin Facebook verklagt, da sie von ihrer Arbeit traumatisiert worden sei. (SZ)

WhatsApps Rolle in Indien: WhatsApp hat eine Art Ombudsmann installiert, der sich mit den Beschwerden aus Indien beschäftigen soll. Hintergrund: In Indien spielt WhatsApp bei der Verbreitung von Falschinformationen eine enorme Rolle – manchmal mit tödlichem Ausgang. Einen eigenen Ansprechpartner gab es für dieses Thema bislang nicht. (BuzzFeed)

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Inspiration

Die Social-Media-Strategie der Financial Times: Über eine Million zahlende Abonnenten hat die Financial Times bereits für sich gewinnen können. Das ist vor allem deshalb so bemerkenswert, weil sie eine überaus harte Paywall-Strategie fahren. Stellt sich also die Frage, welche Rolle Social Media bei der FT spielt und wie das Social-Team dabei hilft, neue Abonnenten zu gewinnen. Hint: it is all about native content. (Medium / The Business of Content)

Die Evolution von TicToc: Bloombergs TicToc ist eine 60-Mitarbeiter-starke Unternehmung, die bislang deshalb bekannt ist, weil sie 24/7 auf Twitter Nachrichten anbieten – vor allem mit speziell für Twitter produzierten Videos (allein 6000 im August). Was Bloomberg mit TicToc noch vor hat und warum sie jetzt sogar über eine eigene Website nachdenken, weiß Digiday.

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Neues von den Plattformen

 

Snapchat

  • Amazon-Verknüpfung: Jetzt ist es also soweit: Wie bereits in Briefing #469 erstmals erwähnt, kann man nun mit seiner Snapchat-Kamera (z.B.) ein Foto von den Sneakern des Kumpels machen und schwupps lanndt man per „visual search“ bei Amazon im Store beim entsprechenden Produkt. (Techcrunch)

 

Instagram

  • Kein Regramming: Nein, Instagram arbeitet nicht an einem regulären Regramming-Feature. Vielmehr würde man sich auf die bereits existierenden Funktionen konzentrieren – etwa darauf, Posts von Dritten als Sticker in Stories zu verwenden. (Techcrunch)

 

Facebook

  • Ad Break: Auch in Deutschland gibt es künftig Werbung innerhalb eines Videos. Aber alles kein Problem – wie lässt Facebook einen doch so schön wissen: „As you watch a video, there are points in this video where the pause or Ad Break feels natural to the viewer“. Ja, klar. Werbung fühlt sich ja immer so natürlich an. (Techcrunch)