Salut und herzlich Willkommen zur 483. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute um 9:30 Uhr Ortszeit müssen sich Facebooks Sheryl Sandberg und Twitters Jack Dorsey in Washington vor US-Abgeordneten verantworten – wir zeigen, was von der Anhörung zu erwarten ist. Zudem blicken wir auf Chemnitz und die Versuche der AfD, Desinformationen zu streuen. Auch setzen wir uns erneut mit der Frage auseinander, was eigentlich vom Video-Boom auf Social-Plattformen zu halten ist. Last but not least: neun neue Features, die man kennen sollte. Herzlichen Dank für das Interesse, Martin & Team
Facebook und Twitter müssen sich in Washington verantworten
Was ist: Um 9:30 Uhr Ortszeit müssen sich Jack Dorsey, Twitters CEO, und Sheryl Sandberg, Facebooks COO, vor US-Abgeordneten in Washington verantworten. Konkret geht es vor allem um die Frage, was die Unternehmen gegen die Einflussnahme ausländischer Akteure in Sachen Wählermanipulation und Stimmungsmache unternehmen.
Warum ist das interessant? Bereits im Frühjahr musste bekanntermaßen Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor US-Politiker Rede und Antwort stehen. Damals konnte sich Zuckerberg relativ leicht aus der Affäre ziehen, waren die Damen und Herren Politiker doch relativ schlecht vorbereitet und ihre Fragen mehrheitlich leicht zu beantworten. Das hatte zwar für große Erleichterung bei Zuckerberg und all den Investoren gesorgt, zugleich den Politikern aber eine Menge Kritik eingebracht. Ob sich Sandberg und Dorsey somit heute ebenso leicht aus der Affäre ziehen können, wird spannend zu beobachten sein.
Worum geht es konkret? Sowohl Facebook als auch Twitter wird (zurecht) vorgeworfen, dass Akteure aus dem Ausland (allen voran Russland und Iran) durch gezielte Desinformationskampagnen versuchen, die Stimmung in den USA zu beeinflussen. Im Mittelpunkt steht also die Frage, was die Unternehmen dagegen tun (können). Zudem wird den Social-Media-Plattformen (aktuell allen voran Twitter) vorgeworfen, sie würden konservative Meinungen systematisch unterdrücken.
Was sind die Standpunkte der Unternehmen?
- Sheryl Sandberg wird beteuern, dass Facebook alles tut, um nicht erneut „Opfer“ von „bad actors“ zu werden. Sie hätten diese Erfahrung nun einmal machen müssen und erkannt, dass sie bei der US-Wahl 2016 zu langsam reagiert hatten – das würde aber kein zweites Mal passieren (dürfen). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hätte Facebook das Sicherheitspersonal verdoppelt und mit Strafverfolgungsbehörden engere Bande geschmiedet.
- Jack Dorsey wird hingegen eine neue Studie präsentieren, die aufzeigt, Twitter keineswegs konservative Stimmen unterdrückt. Zudem wird Dorsey (analog zu Sandberg) betonen, dass keine politischen Ideologien in die Entscheidungsprozesse, welche Inhalte nun auf den Plattformen kursieren, eingebaut wären.
Be smart
- Facebook spricht zwar gern davon, dass sie das Sicherheitspersonal, respektive die Anzahl der Content Moderatoren, verdoppelt hätten. Was sie dabei aber nicht artikulieren, ist die Tatsache, dass selbst die Content Moderatoren nicht mehr daran glauben, dass sie die Probleme in den Griff kriegen können. Auch zeigen Dokumentationen wie The Cleaners, wie problematisch der Job ist: viel zu wenig Personal muss in viel zu kurzer viel zu viele Entscheidungen treffen – nicht demokratisch legitimiert, schlecht ausgebildet, schlecht geschützt und miserabel bezahlt.
- Twitter hingegen sieht in der Plattform zwar einen Free Speech Garanten, hat aber Beobachtungen der New York Times zufolge kaum eine Idee, wie sie diese Ideologie künftig aufrecht erhalten können, ohne weiterhin ein Katalysator von Hass und Desinformation zu sein.
Übrigens: In den USA überlegt man derzeit noch sehr genau, wie eine Regulierung der Tech-Konzerne aussehen könnte. In Großbritannien hingegen hat sich jüngst eine Front aus traditionellen Medienunternehmen formiert, die genau dies fordert: eine stärke Regulierung von Facebook, Twitter und Co. Der Wind wird rauer.
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Was ist: Facebook ist in Ländern, die traditionell weniger Beachtung durch westliche Medien erfahren, zum Katalysator für Folter, Mord und Krieg geworden. Das ist schrecklich und wird nun von den UN erneut gerügt. Was muss ich darüber wissen? Facebook ist in Ländern wie Libyen oder den Philippen ein extrem wichtiger Knotenpunkt in der Informationsvermittlung – vor allem auch hinsichtlich politischer Botschaften. Gerade in diesen Ländern aber zeigt sich, wie sehr sich Facebook von Demagogen und für nur zunächst gewaltbringende und am Ende dann tödliche Desinformationskampagnen ausnutzen lässt. Zwei Beispiele: In Libyen etwa teilt das Militär via Facebook die Standorte von potentiellen Zielen, auf den Philippinen wird Facebook dafür genutzt, um Hetzjagden auf politische Feinde zu organisieren. Be smart: Facebook selbst ist aktuell gerade einmal in der Lage, die Bevölkerung in den USA vor der Einflussnahme von ausländischen Akteuren zu schützen (s.o.). Was in anderen Ländern passiert, respektive wie Facebook dort als Katalysator genutzt wird, um Menschen zu drangsalieren, zu foltern und zu ermorden, ist noch nicht einmal annähern in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Fest steht aber: Facebook versteckt sich weiter hinter der naiven Annahme, die Technologie würde überwiegend Gutes für die Menschen bringen, scheut sich aber, der Realität mit aller Konsequenz ins Gesicht zu schauen. Mehr noch: sie profitieren maximal vom Wegschauen. Und wir alle, die regelmäßig 250 Euro für den Boost eines Artikels ausgeben oder 400 Euro, um eine Anzeige zu schalten, sind zumindest ein Stück weit mit verantwortlich dafür, dass Facebook ist, was es ist. Denkste das nächste mal drüber nach, wenn Du den A/B-Test im Business-Manager einrichtest. [gap size=“50px“] Fake News in Chemnitz: Die Tagesschau hat wunderbar aufbereitet, wie über Social Media Unwahrheiten zu den Vorfällen in Chemnitz verbreitet wurden. Es zeigt sich: Desinformationskampagnen müssen gar nicht von irgendwelchen russischen Troll-Fabriken initiiert werden. Verblendete Admins rechter Facebook-Fanpages – allen voran auch von der AfD – können genauso dafür sorgen, dass sich falsche Informationen wie ein Lauffeuer verbreiten und Menschen aufwiegeln. Deplatforming works: Laut einer Recherche von Motherboard würde sich „Deplatforming" positiv auswirken auf die Sichtbarkeit von umstrittenen Accounts – etwas denen von Infowars-Aktivist Alex Jones. Mit anderen Worten: wenn Apple, Facebook und Google beschließen, dass sie Leuten wie Alex Jones weniger Sichtbarkeit auf ihren Plattform anbieten, erhalten diese Leute in der Tat sehr viel weniger Traffic, etc. Klingt zunächst einmal logisch, unterstreicht aber zugleich auch wieder die grundsätzliche Problematik dabei: wer garantiert, dass die Tech-Unternehmen immer die „richtigen“ Entscheidungen treffen? Rechte flüchten sich in geschlossene Facebook-Gruppen: Wir haben beim Social Media Watchblog bereits vor einiger Zeit darüber berichtet, jetzt wird unsere These in einem Artikel von der New York Times untermauert: Geschlossene Facebook-Gruppen werden immer stärker zum Refugium von extremen Polit-Gruppen. Was in den USA Alex Jones und Kollegen sind, ist hierzulande der Wahnsinn, der in rechten Gruppen, häufig auf lokaler Ebene, stattfindet. Wäre ich derzeit Journalist mit dem Schwerpunkt Innenpolitik, ich würde mich auf diese Gruppen stürzen und darüber berichten, was dort hinter verschlossenen Türen passiert. Facebook übrigens sieht da zunächst noch weg – ist ja schließlich nicht so leicht nachvollziehbar wie bei einer öffentlichen Facebook Fanpage. Alles so absurd. Medienaufsicht in Ägypten: Apropos absurd: In Ägypten müssen jetzt Menschen, die mehr als 5000 Fans oder Follower in sozialen Netzwerken haben, damit rechnen, dass sie von der staatlichen Medienaufsicht überprüft, bzw. im Blick behalten werden. Sie könnten ja – so die These -zur Gefahr für die öffentliche Ordnung werden. WhatsApp mit Aufklärungskampagne in Indien: Hatten wir noch in einer der letzten Ausgaben darüber berichtet, dass sich Schulen in Indien daran versuchen würden, Kids in Sachen Verbreitung von „Fake News“ via Messenger zu schulen, WhatsApp aber als wichtigste Plattform vor Ort nicht tätig würde, können wir heute festhalten, dass sie sehr wohl etwas tun: WhatsApp startet in Teilen Indiens eine Radio-Kampagne, die Menschen auf die Gefahr von „Fake News“ aufmerksam macht. Eine lobenswerte Initiative. Twitter: Mehr Transparenz bei politischer Werbung: Ebenfalls lobenswert ist der Ansatz von Twitter, mehr Transparenz bei politischer Werbung einzufordern. Wie das genau funktioniert, erklärt die Washington Post in diesem Artikel. Für den eigenen Horizont erst einmal nur wichtig: wenn es um Themen wie Schwangerschaftsabbrüche oder Migration geht, will Twitter künftig sehr viel mehr über diejenigen wissen, die eine Werbung zum Thema schalten. Das Leid von Reddit-Moderatoren: Es gibt diese Artikel, die einen irgendwie sprachlos zurücklassen. Da sind also diese Menschen, die die Plattform Reddit so wertschätzen, dass sie einen gehörigen Anteil ihrer Freizeit darauf verwenden, die Plattform als Moderator in einem bestimmten Thema zu unterstützen – unentgeltlich versteht sich. Zum Dank aber müssen sich viele Moderatoren mit extremen Anfeindungen auseinandersetzen, die zum Teil zu schweren psychologischen Störungen und Trauma führen. Da will man sich kaum vorstellen, wie es Menschen geht, die dies hauptberuflich machen. Womit wir wieder bei The Cleaners wären. [gap size=“50px“] Publisher haben noch keine Ahnung, was IGTV sein soll: Offenkundig ist Instagram TV noch nicht der helle Stern, den viele hatten heraufziehen sehen. So verwundert es auch nicht, dass Publisher noch nicht so ganz genau wissen, was sie mit IGTV eigentlich anfangen sollen. Die Bereitschaft, in IGTV richtig zu investieren, scheint jedenfalls nicht gerade weit verbreitet. Zu ungewiss, ob das Invest sich lohnt. Was Facebook mit Watch erreichen will: Auch Facebook selbst scheint mit Facebook Watch noch so seine Probleme zu haben, die Plattform wirklich an den Mann / die Frau zu bringen – sowohl hinsichtlich der Nutzer als auch mit Blick auf die Werbekundschaft. So bemüht sich Facebook in einem Blogbeitrag noch einmal zu zeigen, dass der News Feed eher für das Entdecken von Inhalten geeignet ist, Facebook Watch aber sehr viel mehr Lagerfeuer sein soll. Das liebe Geld: Der Grund für die Bestrebungen von Instagram (mit IGTV) und Facebook (mit Watch) hingegen liegt auf der Hand: In den USA würden 70 Milliarden Dollar für TV-Werbung ausgegeben, aber bislang nur 13 Milliarden für Online-Video-Werbung. Da ist also noch richtig Musik drin. Facebook und Insta möchten gern einen möglichst großen Anteil von diesem Kuchen künftig bei sich sehen. [gap size=“50px“] [gap size=“50px“] DMEXCO: Ich bin nächste Woche tatsächlich zum ersten Mal auf der DMEXCO, Frank Zimmer hat mich da irgendwie reingequatscht 🙂 Falls Du also zufälligerweise auch dort sein solltest, freue ich mich auf ein Treffen. Freue mich über Rückmeldungen! Free Speech im Plattformzeitalter
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