Salut und herzlich Willkommen zur 481. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute schauen wir auf die traurige Rolle von Facebook bei der Vertreibung der Rohingya. Zudem beschäftigen wir uns damit, wie Instagram TV aus dem Startblock gekommen ist und wie Facebook versucht, Publishern wieder mehr Reichweite zu besorgen. Vielen Dank für das Interesse, denkt an das Abo, herzliche Grüße, Martin & Team

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Facebooks Rolle bei der Vertreibung der Rohingya

Was ist: Die UN hat einen Bericht vorgestellt, der dem Militär in Myanmar Absichten eines Genozids an den Rohingya zuspricht. Darüber hinaus wird Facebook als Plattform dafür verantwortlich gemacht, dass sich entsprechende Hass-Botschaften gegen die Rohingya verbreiten konnten.

Warum ist das interessant? Facebook ist für viele Menschen in Myanmar die zentrale Instanz, um sich auszutauschen. Über die Plattform kommuniziert einerseits das Militär, andererseits aber auch der ganz normale Bürger – die Wahrheit bleibt dabei leider viel zu oft auf der Strecke. Die Verteilung von Desinformation via Facebook ist eines der zentralen Probleme in der Region. Bereits seit Monaten weisen Journalisten und Menschenrechtler darauf hin, dass Facebook an der Vertreibung der Rohingya aus Myanmar eine Mitschuld tragen würde – jetzt ist dieser Vorwurf durch die UN untermauert worden.

Was macht Facebook dagegen? Facebook hat kurz vor der Veröffentlichung des UN-Reports mehrere Pages und Accounts von Militärs aus Myanmar gesperrt, respektive gelöscht. Dadurch soll ihnen die Option genommen werden, künftig weiter Propaganda zulasten der Rohingya zu verbreiten. Diese Entscheidung kommt aber für die mindestens 700.000 Menschen, die mittlerweile ins Nachbarland Bangladesch geflohen sind, viel zu spät. Auch ist nicht zu erkennen, dass Facebook darüber hinaus, wirklich nachhaltig versuchen würde, das Problem in den Griff zu bekommen – extrem traurig, aber wahr.

Go deep: Wer sich mit diesem Thema intensiver beschäftigen möchte, dem sei dieser Special Report von Reuters empfohlen. Der Artikel erklärt, wie Facebook in Myanmar ausgenutzt wurde, um Hass gegen die Rohingya zu schüren.

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Content Moderation: Eine unmögliche Aufgabe?

Was ist: Die schreckliche Situation der Rohingya ist nur ein Beispiel dafür, dass Facebook ein kaum lösbares Problem hinsichtlich der Moderation von Inhalten auf den eigenen Kanälen hat – das sage nicht ich, sondern die Mitarbeiter, die bei Facebook für den Kampf gegen Hass, Hetze und Falschnachrichten tätig sind, wie einem beachtenswerten Artikel von Motherboard zu entnehmen ist.

Warum ist das wichtig? Mark Zuckerberg hatte im Frühjahr vor dem US-Kongress stets darauf verwiesen, dass Facebook seine Bemühungen in Fragen der Content Moderation enorm ausbauen würde – 10.000 neue Mitarbeiter würden eingestellt, um der Situation besser Herr zu werden. Doch das reicht vorne und hinten nicht, sinnvolle Content Moderation scheint in dieser Größenordnung schlichtweg nicht zu bewältigen. Siehe dazu: Internet Content Moderation Isn’t Politically Biased, It’s Just Impossible To Do Well At Scale.

Wieso ist das denn so schwierig?

  • Viel zu viele Inhalte müssen von viel zu wenig Menschen moderiert werden. So muss etwa ein einzelner Content-Moderator unglaubliche 5000 Entscheidungen pro Schicht treffen und dennoch ist dies viel zu wenig, um der Flut an Inhalten auch nur annähernd gerecht zu werden.
  • Zudem ist Facebook ein weltweit operierendes Unternehmen, das sich mit Inhalten in allen möglichen Sprachen konfrontiert sieht. Es liegt auf der Hand, dass sie hier kaum in der Lage sind, wirklich nuancierte Entscheidungen treffen zu können – denken wir nur etwa an die feinen Unterschiede zwischen Satire und gezielten Falschinformationen.
  • Darüber hinaus kann es nicht im zivilgesellschaftlichen Interesse sein, dass von Facebook geschriebene Algorithmen automatisch Inhalte blockieren / zensieren. Aber genau darin besteht für Facebook dem Vernehmen nach die Zukunft – auch dies wurde vor dem Kongress bei der Anhörung im Frühjahr mehrfach betont.

Be smart: Meiner Meinung nach wird sich die Zukunft von Facebook genau daran entscheiden: Kriegt das Unternehmen es in den Griff, die Masse an Inhalten, die bei Facebook, auf Instagram, im Messenger und via WhatsApp täglich gepostet werden, demokratisch verträglich zu moderieren oder nicht? Wenn die Antwort negativ ausfällt, wird sich Facebook vor rigorosen politischen Eingriffen mittelfristig kaum schützen können.

Tipp: Arte hat derzeit die großartige Dokumentation zur Arbeit von Facebook Content Moderatoren in Manila in der Mediathek: The Cleaners. Ich hatte bereits im April die Ehre mit den Filmemachern sprechen zu dürfen – hier mein Artikel dazu. Der Film ist wirklich ein Augenöffner – bitte unbedingt anschauen und weiterempfehlen!

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Instagram TV bislang kein Hit

Was ist: Der Launch von Instagrams IGTV ist bislang noch kein wirklicher Erfolg – die View-Zahlen sind dürftig, die App-Installationen massiv zurückgegangen.

Warum ist das interessant? IGTV wurde beim Launch als direkter Konkurrent zu Snapchat und YouTube gesehen. Die Idee von Instagram, mit IGTV eine eigene Plattform für Video-Kreative anzubieten, erschien spannend und stimmig. Vor allem, weil die Plattform darauf abzielte, originäre Inhalte im Vertical-Format anzubieten. Jetzt zeigt sich aber, dass IGTV beim Publikum schwächelt.

Wie ist das zu erklären? Nun, einerseits braucht es vielleicht wirklich einfach Zeit, damit Nutzer die Plattform für sich entdecken. Auch ist es für die Video-Kreativen, die bislang auf Snapchat oder in Instagram Stories ein Publikum mit recht knappen Inhalten begeisterten, nicht ohne weiteres möglich, in längeren Videos spannende Inhalte zu präsentieren. (Ich habe gehört, es gibt da sogar Studiengänge und eine ganze Profession, die sich mit Video & Film beschäftigen, aber hey…). Ausserdem hat Instagram vielleicht nicht daran gedacht, die YouTube-Stars adäquat mit ins Boot zu holen. Zitat Techcrunch:

But it forget to (…) convince landscape YouTube moguls to purposefully shoot or crop their clips for the way we normally hold our phones.

Be smart: Ich kann mir weiterhin sehr gut vorstellen, dass IGTV am Markt reüssiert. Als institutioneller Anbieter würde ich jedoch derzeit meine Ressourcen lieber in andere Formate investieren – etwa in Instagram Stories.

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Abgänge bei Facebook

Was ist: Bemerkenswert viele Top-Mitarbeiter haben in den letzten Wochen Facebook verlassen.

  • Facebook communications exec Rachel Whetstone (Recode)
  • Facebooks Vice President of Partnerships, Dan Rose (Techcrunch)
  • Facebooks Chief Security Officer, Alex Stamos (Facebook Post)
  • Facebooks Chief Legal Officer, Colin Stretch (Facebook Post)

Warum ist das spannend? Eigentlich konnte sich Facebook immer damit rühmen, dass sie keine nennenswerten Abgänge zu verzeichnen hätten. Jetzt zeigt sich aber, auch diese Zeiten gehen einmal vorbei und Facebook ist unter Umständen angeschlagener als von Außen ersichtlich.

Be smart: Nun gilt Mark Zuckerberg sicherlich nicht gerade als Wackelkandidat an der Spitze von Facebook, zu sehr ist er weiterhin die prägende Figur. Gleichwohl ist aber denkbar, dass auch er mittelfristig abtritt – Sheryl Sandberg und Chris Cox gelten als potentielle Nachfolger.

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Social Media und Journalismus

Was ist: In den vergangenen Monaten war an vielen Stellen zu lesen, dass die Bedeutung von Social Media für die Reichweite von Medienunternehmen stark nachgelassen hat und ein Gegentrend nicht zu erkennen wäre. Auch wir haben im Watchblog häufiger darüber berichtet. Facebook möchte nun allem Anschein nach aber dabei helfen, Publisher wieder mehr Traffic zukommen zu lassen.

A/B-Tests für Facebook-Posts: Facebook testet derzeit laut Digiday mit ausgewählten Publishern die Option, A/B-Tests bei Postings durchzuführen. Der Clou: Bislang mussten Publisher diese Tests in Form von Werbekampagnen selbst durchführen – so konnte etwa ein und der selbe Artikel mit verschiedenen Überschriften lanciert werden. Nun aber stellt Facebook eben jenem Test-Kreis ein Feature zur Verfügung, das genau dieses Vorgehen im regulären Backend ermöglicht.

Be smart: Die Durchführung dieses A/B-Tests wird von vielen Branchenbeobachtern bereits als Charmeoffensive von Facebook interpretiert. Das mag sein. Mich interessiert vor allem, wie Publisher es schaffen wollen, nicht wieder in Clickbait-artige Überschriften abzudriften, wenn sie feststellen, dass Überschrift/Teaser/Foto X, Y, Z einfach viel, viel besser funktionieren als die ursprünglich gewählte Variante. ¯\_(ツ)_/¯

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Neues von den Plattformen

Snapchat

  • Musical Gifs: Bei Snapchat kann man jetzt Musical Gifs nutzen. Sollte das einer meiner Leser nutzen, dann bitte ich um einen Beweis per Screenshot. Anyway. Ich wollte es wenigstens erwähnen.

YouTube

  • Non-Skippable Ads: Um Kreativen den Verbleib auf YouTube schmackhaft zu machen, gibt es künftig „non-skippable“ Ads auf der Plattform. Fürs Geschäfts sicherlich spannend, für den Zuschauer einfach nur nervig.
  • Digital Wellbeing: Hach, auch YouTube kümmert sich jetzt um das Wohlergehen all jener wundervollen Menschen, die gern und lange YouTube glotzen. So wird dem geneigten Zuschauer künftig angezeigt, wie lange er sich schon von Video zu Video zu Video zu Video weiter hangelt. Tja. Ist doch rührend.

Instagram

  • College Student Groups: Instagram möchte gern noch weiter wachsen und testet derzeit ein Feature, dass es College Studenten ermöglicht, sich leichter zu finden. Hatte nicht gerade letzte Woche Tinder eine Extra-App für Studierende präsentiert? Ja, richtig. Könnte sein, dass Instagram sich da nicht die Erdnussbutter vom Brot nehmen lassen möchte.

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Apps, Tipps und Tricks

Infografiken basteln: Wer sich für Infografiken begeistern kann, aber nicht jederzeit einen Grafiker zur Hand hat, der könnte von diesem Überblick profitieren: Das Reynolds Journalism Institut stellt Websites und Apps vor, mit denen sich recht leicht hübsche Infografiken erstellen lassen.

11 Tipps für Facebook Page Optimierungen: Manchmal sind es ja schon die Basics, die einen besser aussehen lassen im Social Web. Genau deshalb finde ich auch diese 11 Tipps für eine bessere Facebook-Page gar nicht so trivial, wie sie auf den ersten Blick wirken mögen – muss man erst einmal alles so haben…