Salut und herzlich Willkommen zur 479. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute beschäftigen wir uns aus gegebenem Anlass mit Twitter, schauen auf Facebooks Strategie, die US-Midterms zu sichern und blicken erneut auf die Beziehung von Social-Media-Plattformen und Publishern. Ich sage herzlichen Dank für das Interesse, wünsche eine gewinnbringende Lektüre und einen tollen Tag, Martin

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Was ist: Twitters Chef hat in einem CNN-Interview erklärt, dass sich die Chefetage selbst politisch zwar eher links einordnet, Twitter allerdings eine neutrale Plattform sei.

Warum ist das interessant? Twitter sieht sich bereits seit Jahren massiver Kritik ausgesetzt, weil die Plattform zu lasch mit Hate Speech, Belästigungen, Trollen, Nazis und anderen Ärgernissen umgeht. Zuletzt hatten sie sich als einzige geweigert, den Verschwörungstheoretiker Alex Jones zu sperren – im Unterschied zu Apple, YouTube und Facebook. Der Grund dafür wird im CNN-Interview deutlich: Twitter hat keine Strategie in Sachen Desinformation parat.

Warum ist das wichtig? Social-Media-Plattformen haben das Recht, Inhalte von ihren Plattformen zu entfernen. Welche Inhalte das sind, darüber entscheiden die Unternehmen selbst. Da sie de facto zu den wichtigsten „öffentlichen“ Orten der Welt gehören, an denen Ideen diskutiert werden, ist die Frage elementar, welche Ideen dort zirkulieren dürfen.

Die Kritik an den Unternehmen: Liberale Nutzer ärgern sich etwa darüber, dass Social-Media-Plattformen rechten Ideologien einen Platz geben. Konservative Nutzer hingegen sehen sich seit der Debatte um den Trending Topics Skandal bei Facebook im Nachteil: zuletzt hatte US-Präsident Trump im Zusammenhang mit der Sperrung der Alex-Jones-Kanäle von Zensur durch Plattformen gesprochen – einen Zustand, den er nicht länger hinnehmen wollte.

Wie reagieren die Nutzer? In den letzten Tagen ist zu beobachten, dass sich gerade die Power-Nutzer über Alternativen zu Twitter (etwa über Mastodon – hier und hier) Gedanken machen. Diese Entwicklung rührt einerseits aus den oben beschrieben Problemen bezüglich Twitters lascher Haltung gegenüber Propaganda, Trollen und ähnlichem. Andererseits hat Twitter vor ein paar Tagen durch Veränderungen an der API wieder einmal deutlich gemacht, dass sie vor allem am Mainstream interessiert sind und nicht an jenen, die den Dienst einst groß gemacht hatten.

Be smart: Da der politische Druck zunimmt, wird Twitter handeln müssen. Ähnlich wie Facebook werden sie sich dann weiter von der Free Speech Idee entfernen – ob das wirklich ein Gewinn ist, wenn demokratisch nicht legitimierte Unternehmen darüber Entscheidungen treffen, was gesagt werden darf und was nicht, halte ich zumindest erst einmal für fraglich. Jedenfalls solange, bis diese Entscheidungen nicht für alle komplett transparent getroffen werden – aber genau da tun sich Twitter und all die anderen ja bekanntlich sehr schwer.

Übrigens: Diese Kampagne ist ein fake. Aber sehr witzig.

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Facebooks War Room für die Midterms

Was ist: Facebook plant einen War Room einzurichten, um die nächsten großen Wahlen in den USA zu sichern. Das Ziel: Politische Desinformationskampagnen wie bei der US-Wahl 2016 sollen sich nicht wiederholen können.

Warum ist das wichtig? Facebook hatte jüngst Muster auf der Plattform entdeckt, die stark an das Vorgehen der sogenannten Internet Research Agency erinnerten. Diese von Russland unterstützte Troll-Fabrik hatte rund um die Präsidentschaftswahl 2016 Facebook dafür benutzt, politisch Stimmung zu machen. Ein Vorgehen, dass als „election meddling“ order „russian interference“ in den Schlagzeilen war.

Was macht Facebook konkret?

  • Facebook möchte Fake Accounts finden und löschen.
  • Facebook möchte Desinformationskampagnen aufspüren und eindämmen.
  • Facebook möchte es Dritten erschweren, politische Werbung zu schalten.

Be smart: Vieles von dem, was Facebook vorschlägt, geht nicht ohne die grundsätzliche Einflussnahme auf die Zirkulation von Ideen auf der Plattform. Somit wird jegliches Handeln immer auch von der jeweiligen Gegenseite als Angriff auf die freie Meinungsäußerung verstanden werden (s.o.). Darüber hinaus ist vieles von dem, was Facebook reparieren möchte, so sehr in Facebooks Geschäftsmodell integriert, dass eine Reparatur schier undenkbar scheint: etwa die Belohnung von Inhalten, die für Interaktionen sorgen.

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Social Media und Journalismus

Was ist: Die Zeiten, in denen Medienunternehmen darauf setzen konnten, via Social-Media-Plattformen dauerhaft die eigenen Reichweiten zu steigern, scheinen vorbei. Wie also sollte man sich strategisch gegenüber den Social-Plattformen künftig verhalten?

Unabhängigkeit: Im Recode-Podcast mit Peter Kafka erklärt Digiday-Chefredakteur Brian Morrissey, dass sich Unternehmen maximal von den Social-Plattformen emanzipieren müssten. So sei es laut Morrissey ziemlich verrückt, (weiterhin) ein Geschäft aufzubauen, das von Facebook abhängig ist.

Konzentration: Im Gespräch bei Was mit Medien – Hallo Daniel! Hallo Herr Pähler! – hat der Editorial Director New Platforms der BILD-Gruppe – Hallo Andreas! – sehr viele kluge Sachen über die Beziehung von Social-Media-Plattformen und Publishern erzählt. Der allerwichtigste Ratschlag für mich: immer erst einmal auf einen Kanal konzentrieren und diesen nachhaltig bespielen – bloß nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen wollen.

Be smart: Natürlich ist alles kontinuierlich in Bewegung und viele konkrete Tipps von heute sind morgen Schnee von gestern. Von daher ist es immer lohnenswert die größeren Entwicklungen im Blick zu behalten. Die beiden Protagonisten der hier annoncierten Hör-Empfehlungen tun genau das.

Apropos konkrete Tipps: Der Hype um Chatbot scheint vorbei.

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Schon einmal gehört

Messenger & Verschlüsselung: Die US-Regierung möchte gern, dass Facebook die Verschlüsselung im Messenger bei Bedarf aufhebt. Facebook möchte das nicht so gern. Schauen wir mal, wann welche Absprachen herauskommen. Snowden anyone?

Thread: Boutique für den Messenger: Es gibt ein Unternehmen, dass seine Luxusgüter ausschließlich über den Messenger vertreibt. Nun ist das Watchblog nicht dafür bekannt, Kaufempfehlungen für schöne Handtaschen zu geben. Sehr wohl aber ist die Strategie dahinter super spannend – hier gibt es mehr dazu.

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Neues von den Plattformen

Facebook

  • Audio-only voice posts: Facebook testet derzeit in Indien die Option, Sprachnachrichten im News Feed, bzw. in Stories zu posten. Klingt erst einmal weit weg, keine Frage. Sehr wohl könnte das Feature nach erfolgreichem Test auch in Deutschland eingeführt werden.
  • Level Up Programm: Facebook möchte gern Gamer auf die Plattform locken. Damit diese YouTube und Twitch den Rücken kehren, hat Facebook jetzt das sogenannte Level Up Programm in Europa ausgeweitet.

Giphy

  • Giphy Stories: Auch Giphy (die berüchtigte Plattform für GIFs jeglicher Art, bei der sich alle Social-Kollegen immer vor der Verwendung tief in die Augen schauen und dann sagen „Ach, wird schon“) präsentiert künftig seine eigene Variante des Stories-Formats. Inhaltlich geht es dabei um alles, was aus den Bereichen Sport, Entertainment und Reaction gerade so trendet. Laut Giphy werden die Stories von Redakteuren gebaut und stündlich sowohl für Mobile als auch für den Desktop publiziert. Sehr spannend.

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One more thing

Facebook versucht derzeit, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Unter anderem gibt es schnieke Plakate, die suggerieren, dass Facebook vor allem für uns da sei – um uns mit unseren liebsten zu verbinden, Bla Blubb. John Oliver hatte sich darüber ja bereits ausgiebig lustig gemacht. Ein Künstler in London hat sich dieser Werbung nun ebenfalls angenommen und via Ad Busting „ehrliche“ Plakate gebastelt. Ich mag das ja. Mehr vom Künstler gibt es auf